Der Mindestlohn ist ein kontroverses Thema, das nicht nur in der Politik, sondern auch unter Ökonomen zu unterschiedlichen Meinungen führt. Während einige Experten argumentieren, dass ein höherer Mindestlohn die Einkommensungleichheit reduzieren kann, warnen andere vor negativen Auswirkungen wie Arbeitsplatzverlusten, höheren Kosten für Unternehmen und Preisauftrieb.
Bei einer sinkenden Kaufkraft und steigenden Lebenshaltungskosten im Jahr 2023 wird dem Mindestlohn weiterhin große Aufmerksamkeit im öffentlichen Diskurs zuteil. Morgen soll nun die Mindestlohnkommission ihren Vorschlag verkünden, wie sich der Mindestlohn ab 2024 in Deutschland entwickelt. Zu diesem Anlass positionieren sich auch zwei führende Ökonomen vom ifo-Institut und Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung – mit einer denkbar konträren Empfehlung.
Mindestlohn in Deutschland: Das ist der Stand
Mittlerweile gibt es rund acht Jahre in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wurde 2015 eingeführt und betrug damals 8,50 Euro. Seitdem gab es eine mehrfache Anpassung, zuletzt auf 12 Euro im Oktober 2022. Diese Mindestlohnerhöhung war insoweit außergewöhnlich, das erstmals eine politische Entscheidung den Mindestlohn anhob. Schließlich hatte die Ampel-Regierung diesen im Koalitionsvertrag vereinbart. Denn eigentlich ist die Mindestlohnkommission dafür verantwortlich.
"Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte für 2024 eine deutliche Mindestlohnerhöhung an." dem folgt hoffentlich parallel die Auflösung der Mindestlohnkommission, denn die ist mit der politischen Einmischung zu Wahlkampfzwecken obsolet geworden. https://t.co/S2v3IQdEFe
— Franke-Media.net (@franke_media) June 2, 2023
Mindestlohnkommission macht neuen Vorschlag
Die Mindestlohnkommission ist eine unabhängige Einrichtung in Deutschland, die für die Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns zuständig ist. Sie setzt sich aus je drei Vertretern der Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite sowie einem unabhängigen Vorsitzenden zusammen. Die Mitglieder werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales berufen. Die Mindestlohnkommission analysiert regelmäßig die wirtschaftliche Lage, die Beschäftigungssituation und die Einkommensentwicklung, um eine angemessene Höhe des Mindestlohns zu bestimmen. Dabei soll die Kommission einen ausgewogenen Kompromiss finden, der die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber berücksichtigt.
Im Zuge der morgigen Bundespressekonferenz wird die Mindestlohnkommission ergo ihren Vorschlag bekanntgeben, den die Politik erfahrungsgemäß via Verordnung umsetzt.
Ifo-Institut: „Mindestlohn sollte die Lohnentwicklung nicht bestimmen“
Das Münchener ifo-Institut hat diesbezüglich eine moderate Position eingenommen. Clemens Fuest, der Leiter des Instituts, betonte, dass die Mindestlohnkommission den Auftrag habe, ihre Empfehlung zur Erhöhung des Mindestlohns an der allgemeinen Entwicklung der Tariflöhne auszurichten. Ab 2023 solle die ursprüngliche Regelung zur Fortschreibung des Mindestlohns wieder in Kraft treten, wobei die Erhöhung auf der Steigerung des Tariflohnindex seit der letzten Anpassung basiere.
Bereits Ende 2022 hatte das ifo-Institut vor der möglichen Rolle des Mindestlohns als Treiber für Inflation gewarnt. Besonders kleine Unternehmen, die bereits unter steigenden Energiepreisen litten, würden durch die höheren Löhne zusätzlich belastet. Kostensteigerungen werden durch höhere Preise auf Kunden weitergegeben, was die Inflation verstärkt.
“Sinn dieser Regel ist, dass die Mindestlöhne den allgemeinen Tariflöhnen folgen sollten, sie die Lohnentwicklung aber nicht bestimmen sollen.”
DIW: „Der Mindestlohn muss deutlich steigen“
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine grundlegend andere Einschätzung zum aktuellen Zustand und einer potenziellen Anhebung des Mindestlohns. Das DIW empfiehlt einen Mindestlohn von 14 Euro, basierend auf einem Tarifvertrag, der eine Lohnsteigerung von 16 Prozent für Geringverdienende im öffentlichen Dienst vorsieht. Dabei argumentiert das DIW, dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro positive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Diese Maßnahme würde viele Menschen unterstützen und einen Nachfrageimpuls bedingen. Hier sieht das DIW den Mindestlohn als Instrument, das die Einkommenssituation von Geringverdienern verbessern und die Gesamtwirtschaft zu stärken soll.
In einer Zeit-Kolumne äußerte sich der Präsident Marcel Fratzscher wie folgt:
„Eine spürbare Erhöhung des Mindestlohns in diesen Krisenzeiten erscheint angemessen. Die Hoffnung und Erwartung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, dass die Mindestlohnkommission sich dazu durchringen wird.“
Darum sehen Ökonomen den Mindestlohn gegensätzlich
Ökonomen können das Thema des Mindestlohns unterschiedlich beurteilen, da es verschiedene wirtschaftliche Theorien und ideologische Perspektiven gibt. Einige Ökonomen argumentieren aus einer sozialen Gerechtigkeitsperspektive für einen höheren Mindestlohn, um die Einkommensungleichheit zu verringern und das Leben der Arbeitnehmer zu verbessern. Andere Ökonomen hingegen betonen mögliche negative Auswirkungen auf die Beschäftigung, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Ideologische Bindungen können auch die Glaubwürdigkeit beeinflussen. Wenn ein Ökonom stark mit einer bestimmten politischen Partei verbunden ist, kann dies Zweifel an seiner Unparteilichkeit als Wissenschaftler aufkommen lassen.
So gilt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher der arbeitnehmernahen SPD zugehörig. Hier schrieb die FAZ bereits im Jahr 2017:
„DIW-Chef Marcel Fratzscher hat sich ganz der SPD verschrieben. Das beschädigt seine Glaubwürdigkeit als Ökonom, hat aber Methode.“
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