US Arbeitsmarkt

 

Zahlreiche Technologie-Unternehmen entlassen im Jahr 2022 historisch viele Mitarbeiter. Über die Entlassungen bei Krypto-Börsen wie Kraken oder dem E-Commerce-Giganten Amazon berichteten wir erst kürzlich. Demgegenüber zeigt sich der US-amerikanische Arbeitsmarkt weiterhin von einer überaus robusten Seite, die der Fed deutlich mehr Handlungsspielraum einräumt. Doch wie passen Massenentlassungen im Tech-Sektor und historisch niedrige Rekord-Arbeitslosigkeit zusammen?

Anhaltende Stärke des Arbeitsmarkts

Die jüngste Entlassungswelle im Tech-Sektor hat viele Anleger und auch Arbeitnehmer aufgerüttelt. Die Sorge wird zunehmend größer, dass in Zukunft auch der eigene Arbeitsplatz wegrationalisiert wird. Doch bis dato gibt es kaum Anzeichen für eine derartige Entwicklung, wenn man den gesamten US-amerikanischen Arbeitsmarkt und die Technologie-Branche isoliert betrachtet. Denn offene Stellen gibt es nach den jüngsten US-Jobdaten mehr als genug. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin auf einem rekordverdächtigen Tiefstand. Anders sieht es eben bei den Technologie-Unternehmen aus, die wie Twitter, Meta oder Amazon zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Von den Krypto-Dienstleistern im Bärenmarkt ganz zu schweigen.

Der Arbeitsmarkt bleibt stark: Tech-Sektor repräsentiert nicht US-Wirtschaft

Nick Bunker, der Head of Economic Research, vom Indeed Hiring Lab sieht gravierende Unterschiede zwischen der US-Wirtschaft und Technologie-Branche. Diesbezüglich äußerte er sich wie folgt:

“Ich glaube, dass das, was im Tech-Sektor passiert, nicht wirklich repräsentativ für das ist, was wir derzeit in der Gesamtwirtschaft sehen”

Der Arbeitsmarkt bleibt auch im November 2022 nach den jüngsten US-Jobdaten überaus robust und dürfte stark den Jahreswechsel vollziehen. Trotz steigender Zinsen stellt der US-Arbeitsmarkt seine Stärke unter Beweis. Die neuen Stellen lagen mit 263.000 außerhalb der Landwirtschaftlich signifikant über den Erwartungen. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 3,7 % – nur leicht über dem 50-Jahre-Tief.

 

Entlassungen aktuell auf 2-Jahres-Tief

Die öffentliche Wahrnehmung kann mitunter täuschen, wenn man News über die Massenentlassungen bei Amazon, Twitter und Co. liest. Doch eigentlich indiziert der Status quo eine andere Wahrnehmung. Nach dem Federal Job Openings and Labor Turnover Survey lag die Entlassungsquote vor der Corona-Pandemie noch nie unter 1 %. Erstmals gelang dies im März 2021. Zwar könnten viele Entlassungen der Technologie-Unternehmen zeitnah in die Statistik aufgenommen werden und die Quote langsam in die Höhe treiben. Dennoch ist auch diesbezüglich der US-Arbeitsmarkt robust. Bei den Daten für den Monat Oktober lag die Anzahl der entlassenen amerikanischen Arbeitnehmer bei rund 1,4 Millionen pro Monat. Zwischen 2017 und 2019 lag die durchschnittliche Zahl mit rund 1,8 Millionen Arbeitnehmern deutlich höher.

Deutlich mehr offene Stellen als vor der Pandemie

Ein weiterer Indikator für die Stärke des US-Arbeitsmarkts ist die Anzahl der offenen Stellen. Im Oktober gab es rund 10,3 Millionen offene Stellen in den USA. Vor der Pandemie lag diese Zahl nicht über 8 Millionen offenen Stellen. Auf einem historisch hohen Niveau machen sich die Unternehmen auf die Suche nach neuen Arbeitskräften. Das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitslosen – die sogenannte „ratio of job openings to unemployed individuals“, liegt aktuell bei 1,7. Damit ist die Anzahl der offenen Stellen fast doppelt so hoch wie die Anzahl der Arbeitslosen.

Die Entlassungswelle im Tech-Sektor ist selbstverschuldet

Der Arbeitsmarkt ist stark, die makroökonomischen Belastungsfaktoren treffen die gesamte US-Wirtschaft (noch) nicht. Ergo müssen wir uns bei der Suche nach dem eigentlichen Grund für die Massenentlassungen bei Amazon, Twitter und Co. die Technologiebranche genauer anschauen.

Viele Technologie-Unternehmen entlassen aktuell ihre Mitarbeiter, weil sie diese schlichtweg zu voreilig eingestellt haben. Ergo könnten die Auswirkungen auf die gesamte US-Wirtschaft überschaubar bleiben. Denn das weit überdurchschnittliche Wachstum der Tech-Unternehmen in Pandemiezeiten kühlt sich aktuell ab. Eine Normalisierung der operativen Entwicklung tritt ein, die eben auch die Belegschaft tritt. Dies sah beispielsweise auch Facebook-CEO Mark Zuckerberg in seinem persönlichen Brief zur Entlassung an die Mitarbeiter dergestalt.

„Zu Beginn von Covid hat sich die Welt schnell ins Internet verlagert, und die Welle des elektronischen Handels führte zu einem überdurchschnittlichen Umsatzwachstum. Viele sagten voraus, dass dies eine dauerhafte Beschleunigung sein würde, die auch nach dem Ende der Pandemie anhalten würde. Dies dachte ich auch, und so beschloss ich, unsere Investitionen deutlich zu erhöhen. Leider hat sich dies nicht so entwickelt, wie ich erwartet hatte. Der Online-Handel ist nicht nur zu früheren Trends zurückgekehrt, sondern der makroökonomische Abschwung und der verschärfte Wettbewerb haben dazu geführt, dass unsere Einnahmen viel geringer ausfielen als ich erwartet hatte. Ich habe mich geirrt, und ich übernehme die Verantwortung dafür.“

Ähnlich sah dies auch Amazon-CEO Andy Jassy, als sein Unternehmen bis in das Jahr 2023 signifikante Entlassungen ankündigte.

Spannend dürfte es nun bleiben, wie sich die US-Ökonomie und der Arbeitsmarkt entwickeln. Denn einen wirtschaftlichen Abschwung gibt es, insoweit sind die Entlassungen der Tech-Unternehmen schon an reale Entwicklungen gekoppelt. Dennoch sollte man bei zukünftigen Kennzahlen und Entwicklungen nicht den Fehler machen, Technologie-Sektor und Gesamtwirtschaft über einen Kamm zu scheren. So wie sich diese in den letzten Jahren unterschiedlich entwickelten, dürfte dies auch für die Zukunft gelten.