Stagflation

Seit der Einführung des Euros im Jahr 1999 gab es keine höhere Inflation. Für den Monat September gab das europäische Statistikamt Eurostat eine Inflation von 10,0 % bekannt, nachdem sich diese zuvor noch auf einem einstelligen Niveau bei bereits hohen 9,1 % bewegte. Nach der relevanten Rechenmethode, die sich vom Bundesamt für Statistik unterscheidet, hätte die Inflation in Deutschland ebenfalls über 10 % betragen. Zwar sind die schockierenden Inflationsdaten bereits einige Tage her. Nun beteuerte jedoch auch der Bundesbankpräsident die Forderung nach höheren Zinsen.

Bundesbankchef rechnet mit Rezession und fordert dennoch höhere Zinsen

Der Chef der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, der auch im Rat der Europäischen Zentralbank sitzt und in wenigen Tagen über die kommende Leitzinsentscheidung diskutieren wird, rechnet für den deutschen Wirtschaftsraum mit einer Rezession. Nach dem heutigen Stand sei eine temporäre Rezession, die auch mit höheren Insolvenzanmeldungen einhergeht, sehr wahrscheinlich. Dennoch sieht er den Fokus auf der Preisstabilität im Euro-Raum. Die EZB habe keine Alternative und müsse bei einer derart hohen Inflation die Zinsen aggressiv erhöhen und eine stärkere Eintrübung der Konjunktur riskieren.

Schließlich rechne man bei der EZB für das kommende Jahr ebenfalls mit einer Inflation in Höhe von 5,5 %. In Deutschland dürfte diese sogar durchschnittlich über 6 % betragen. Demnach sei die Zeit vorbei, zögerlich zu agieren und nur über Zinserhöhungen nachzudenken. Jetzt müsse man schnell handeln, um der Inflation dennoch Einhalt zu gebieten.

Robuste Umsetzung der Geldpolitik erforderlich

Die europäischen Notenbanken müssen jedoch nicht nur die Zinsen erhöhen und diese Vorgehensweise strikt umsetzen, bis sich die Inflation wieder der angepeilten Ziel-Rate annähert. Vielmehr sei es notwendig, möglichst robust die angestrebte Geldpolitik umzusetzen. Dies solle bestenfalls auch mit einer Reduktion der Anleihen-Bestände einhergehen. Bis dato befindet sich die EZB noch in einer Zwickmühle, bestehend aus der hohen Inflation, die die Preisstabilität gefährdet, und der Stabilität in der Währungsunion, die insbesondere aufgrund hoch verschuldeter Staaten in einer Rezession gefährdet werden könnte. Der schwache Euro und der spürbare, politische Ruck zu Kritikern der EU – beispielsweise in Italien – machen es für die EZB nicht einfacher.

Wann kommt der nächste Zinsschritt der EZB?

Die nächste EZB-Zinssatzentscheidung ist für den 27.10.2022 angesetzt. Im Anschluss wird die Europäische Zentralbank am 15.12.2022 noch ein weiteres Mal zusammenkommen, um voraussichtlich eine weitere Leitzinserhöhung zu beschließen. Erneut könnte eine Erhöhung um 75 Basispunkte als drastischer Schritt in Aussicht stehen.

Allerdings wird die EZB weiterhin auch die ökonomischen Folgen für die gesamte EU im Blick behalten. Dem Euro-Kurs, der unter der Parität zum US-Dollar notiert, dürfte es guttun, wenn die EZB mehr auf Preisstabilität setzt. Denn mit einem Wechselkurs von 95 US-Cent notiert der Euro aktuell auf dem tiefsten Stand seit rund 20 Jahren. Dies lässt sich insbesondere mit dem Zinsunterschied erklären, den die reaktionsfreudige EZB herbeigeführt hat. Geldanlagen in den USA sind aktuell attraktiver, Anleger ziehen ihr Geld aus dem Euroraum ab und investieren tendenziell in den USA.