Zweifelsfrei war die Insolvenz der Major-Exchange FTX ein Schock. Viele Kunden verlieren wohl den größten Teil ihrer Einlagen. Wenn man sich quer durch die Medien liest, wirken viele Anekdoten wie ein schlechter Film. Das Geschehen rund um SBF und die FTX-Exchange ist filmreif – nicht unwahrscheinlich, dass wir in einigen Monaten sogar wirklich die Krypto-Pleite auf den Leinwänden sehen können. Der Kryptomarkt verliert in wenigen Tagen über 200 Milliarden Marktkapitalisierung. Einige Kryptos wie Solana büßten sogar die Hälfte ihres Werts ein, vom nativen FTT Token ganz zu schweigen.
Dennoch gibt es auch einen Hoffnungsschimmer für den digitalen Währungsmarkt, der sich zwischen all den Gerüchten um die nächsten Krypto-Pleiten zeigt. Denn die Diskussionen rund um Proof of Reserves und einem Recovery Fund könnten den globalen Kryptomarkt zu mehr Transparenz und mithin auch Sicherheit verhelfen. Ein Überblick über die Chancen, die sich möglicherweise in einigen Monaten bieten.
Binance-CEO Changpeng Zhao kündigt Industrieverband und Recovery Fund an
Changpeng Zhao (CZ) hat sich im FTX-Crash als der starke Mann im Krypto-Sektor herauskristallisiert. Nun möchte er als CEO der umsatzstärksten Krypto-Exchange Binance den nächsten Schritt gehen und einen Industrieverband gründen, der das Vertrauen der Krypto-Anleger zurückgewinnt. Dafür wolle man eine enge Zusammenarbeit mit Regulatoren in Erwägung ziehen, die ebenfalls bereits Interesse signalisierten. Transparenz und Proof of Reserves sollen als „Best Practices“ in der Branche Eingang finden. Unabhängig von Binance soll der Industrieverband bekannte Experten umfassen, die ausschließlich zum Wohle des digitalen Währungsmarkts agieren werden.
To reduce further cascading negative effects of FTX, Binance is forming an industry recovery fund, to help projects who are otherwise strong, but in a liquidity crisis. More details to come soon. In the meantime, please contact Binance Labs if you think you qualify. 1/2
— CZ Binance (@cz_binance) November 14, 2022
Zugleich möchte CZ in Zukunft Krypto-Unternehmen unterstützen, die in Liquiditätskrisen geraten. Dafür wolle man massiv finanzielle Mittel bereitstellen, um eigentlich qualitative Projekte temporär zu unterstützen.
„Crypto is not going away. We are still here. Let’s rebuild.“
Proof of Reserves (PoR): Was ist das eigentlich?
Alles dreht sich aktuell um die Frage, wie das Vertrauen der Community zurückgewonnen werden kann, um den massiven Kapitalabfluss aus dem Kryptosektor aufzuhalten und eine Trendwende zu schaffen. Dabei fungieren Proof of Reserves als das auserwählte Mittel vieler zentraler Akteure.
Proof of Reserves (PoR) sind dabei ein Versuch, öffentlich transparent die Reserven durch eine unabhängige Prüfung offenzulegen. Mittels kryptografischer Beweise sollen regelmäßige Audits durch Dritte erfolgen, um die Deckung der Kundeneinlagen mit eigenem Vermögen nachvollziehen zu können. Zwar sind die On-Chain-Daten relevanter Bestandteil der Proof of Reserves (PoR). Dennoch steht und fällt der Erfolg eben auch mit dem Vertrauen in die Drittparteien, die die Prüfung durchführen werden.
Centralized Exchanges: Ohne Proof of Reserves keine Zukunft?
Zentrale Krypto-Börsen übernehmen eine wichtige Funktion am Markt, da sich insbesondere private Anleger oder Einsteiger häufig über CEX an Kryptowährungen beteiligen und auch gar nicht die eigenständige Verwahrung (dringend empfohlen!) der Kryptos in Betracht ziehen. Vollkommene Sicherheit wird es auch mit PoR nicht geben, dennoch könnte dies ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz sein. Das Verlangen der Kunden nach Nachweisen jedweder Art dürfte nicht verschwinden, ganz gleich, ob diese letztendlich maximale Sicherheit bieten oder lediglich ein gutes Gefühl geben.
Proof of Reserves: Immer mehr Unternehmen beteiligen sich
Erste Krypto-Börsen haben einen Proof of Reserves vorgelegt, obgleich sich die Umsetzung deutlich unterscheidet. Während beispielsweise Gate.io auf die Zusammenarbeit mit einem externen Auditor setzte, führte BitMex die Bestätigung von PoR weitgehend selbstständig durch. Abschließende Standards gibt es nicht, (noch) liegt es im Gutdünken der einzelnen Akteure, ihre PoR darzulegen.
Crypto.com-CEO @kris kündigte bereits vor einigen Tagen an, dass das Audit für den Proof of Reserves aktuell vorbereitet wird. Derweil postete er verschiedene Cold-Wallet-Adressen, die zumindest partiell die Deckung der Kundeneinlagen mit einem hohen Bestand an BTC oder ETH verdeutlichen sollen.
While the Proof of Reserves audit preparation is underway, we are sharing our cold wallet addresses for some of the top assets on our platform.
This represents only a portion of our reserves: about 53,024 BTC, 391,564 ETH, and combined with other assets for a total of ~US$ 3.0b
— Kris | Crypto.com (@kris) November 11, 2022
Weitere Major-Exchanges wie OKX, KuCoin oder Huobi wollen den gleichen Weg gehen.
JUST IN: Exchanges OKX, KuCoin, Poloniex and Huobi to do proof of reserves, letting users verify whether their #Bitcoin funds are actually there
— Bitcoin Magazine (@BitcoinMagazine) November 9, 2022
Machen Banken nicht eigentlich das Gleiche?
Natürlich könnte man anführen, dass es auch bei Banken Gang und gäbe ist, dass von Kunden bereitgestelltes Kapital anderweitig verliehen oder sogar investiert wird. Eine vollständige Deckung der Kundeneinlagen gibt es auch im herkömmlichen Finanzsektor nicht, der zu jeder Zeit vollständig nachweisbar wäre. Vielmehr stellt ein Bank-Run nicht nur Krypto-Dienstleister vor eminente Probleme, sondern würde dies bei konventionellen Finanzinstituten wohl in kaum einem geringeren Umfang tun.
Nichtsdestotrotz ist die Vertrauenskomponente wohl eine andere. Während Banken notfalls – siehe Finanzkrise – Rückendeckung durch die Staaten bekommen würden, sieht dies bei Krypto-Unternehmen gänzlich anders aus. Doch diese eigenständige Weiterentwicklung und Marktkonsolidierung bietet mittelfristig eben auch signifikante Chancen.
Vertrauen: Die Basis für Erfolg im Krypto-Sektor
Das Drama rund um FTX führte uns erneut das wichtigste Gut im Kryptomarkt vor Augen: Vertrauen. Ähnlich drückt sich Binance-CEO CZ aus. Man könne sich von zahlreichen Fehlern erholen, doch der massive Vertrauensverlust sei unweigerlich mit drastischen Gefahren verbunden.
There are honest mistakes you can recover from.
But once your credibility is gone, you are done.
— CZ Binance (@cz_binance) November 16, 2022
Als das Vertrauen in die FTX-Exchange drastisch schwand, kam es zum Bank-Run, der die Liquiditätsprobleme knallhart offenbarte. Mit den Proof of Reserves bemühen sich Krypto-Dienstleister aktuell, das Vertrauen der Kunden zu stärken oder zumindest beizubehalten.
Trotz aller Chancen, die sich für den Kryptomarkt in Zukunft ergeben werden, gibt es auch eine omnipräsente Gefahr. Denn augenscheinlich waren die Bedenken hinsichtlich der Deckung der Kundeneinlagen bei FTX begründet. Doch FUD (Fear and Uncertainty and Doubt), ergo unberechtigte Zweifel, scheinen in einer digitalen Welt, die mitunter von Fake News bestimmt wird, weiterhin in der Lage, auch die eigentlich seriösen Anbieter in Gefahr zu bringen. Hier bedarf es auch eines besonnenen Vorgehens der Kunden und Anleger, um nicht Krypto-immanente Risiken zu realisieren.