Bundesbank-Präsident Joachim Nagel bleibt hawkisch. Bei einem Symposium der Notenbank in Frankfurt am heutigen Dienstag forderte Nagel erneut drastische Zinserhöhungen, um die Preisstabilität in der Eurozone zu gewährleisten. Ein zögerliches Handeln würde mittelfristig Gefahren bedingen, wie eine sich verfestigende Inflation. Die steigenden Zinsen führen jedoch anderweitig zu einem weiteren Problem – denn diese belasten den Immobilienmarkt aktuell.
Derweil geht das Neugeschäft mit Baufinanzierungen weiter zurück. Die Belastungsfaktoren für den deutschen Immobilienmarkt nehmen zu. Seit vielen Jahren entsteht hier erstmals wieder ein Käufermarkt, in welchem das Angebot die Nachfrage übersteigt. Fallen jetzt die Immobilienpreise dauerhaft?
Nachfrage nach Baufinanzierungen bricht dramatisch ein: Rückgang von 28 % im September
Die steigenden Zinsen belasten die Nachfrage nach Baufinanzierungen, insbesondere im Neugeschäft. Deutsche Banken berichten von einem drastischen Rückgang des Interesses. Demnach fiel die Anzahl der Neugeschäfte mit Immobiliendarlehen im September im Vergleich zum Vormonat erneut um 28 %. Dabei belief sich das Volumen auf 16,1 Milliarden Euro – so niedrig wie zuletzt im Jahr 2014. Der Rückgang sei rekordverdächtig, zugleich verschärfe sich der Abwärtstrend mit zunehmender Gefahr für den Immobilienmarkt.
Hohe Zinsen und Baukosten: Rückgang bei Bauprojekten und Baufinanzierung https://t.co/qpbv8Lj9bn
— ZDFheute (@ZDFheute) October 11, 2022
Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite vervierfacht: Interessenten zunehmend unsicher
Dabei sollen sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite seit Jahresbeginn mehr als vervierfacht haben. Nach Daten des Vergleichsportals Check24 liegen diese aktuell bei 3,6 %.
Neugeschäft mit #Baufinanzierungen bricht weiter ein – "Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite etwa vervierfacht – aktuell liegen sie laut dem Vergleichsportal #CHECK24 bei gut 3,6 Prozent." https://t.co/yZvTkBophA @SZ #Immobilien #Kredite
— CHECK24 Presse (@CHECK24_Presse) November 8, 2022
Dies führt zu einer zunehmenden Verunsicherung bei ehemaligen Interessenten, die vor den drastischen Zinserhöhungen Immobilien kaufen wollten. Denn weiter steigende Zinsen sind wohl unausweichlich, wenn man die aktuellen Inflationsdaten und die Forderungen des Bundesbank-Chefs Nagel berücksichtigt. Immer weniger Menschen sind bereit, zu derartigen Zinssätzen zu finanzieren und schieben ihren ursprünglich angedachten Immobilienkauf oder Hausbau auf unbestimmte Zeit auf.
Inflation trifft Baupreise: steigende Kosten als zusätzliche Belastung
Die steigenden Zinsen sind das Eine, die grassierend hohe Inflation das Andere. Denn diese verteuert die Baupreise signifikant. Viele Bauprojekte wurden bereits abgesagt. Das Ifo-Institut offenbart in den ermittelten Zahlen einen signifikanten Anstieg der stornierten Aufträge an Bauunternehmen – 16,7 % der Unternehmen meldeten bereits im September einen stornierten Auftrag.
Material und Energie kosten immer mehr – und auch die Kreditzinsen steigen stark: Oft rechnet sich der Bau neuer Wohnungen nicht mehr. Die Branche verzeichnet deutlich mehr stornierte Projekte. https://t.co/gjfakIyI9C
— SPIEGEL Ticker (@SPIEGEL_alles) October 11, 2022
Nachdem die Immobilienpreise jahrelang nur eine Richtung gekannt hatten, gilt dies aktuell tendenziell nur für die Baupreise.
Mittelfristiger Rückgang erwartet: Risiken für Banken und Immobilienmarkt
Das Immobiliengeschäft boomte in den vergangenen Jahrzehnten. Das in Deutschland allseits beliebte Betongold wurde dem guten Ruf gerecht. Doch nun befindet sich der Immobilienmarkt in einem mittelfristigen Abwärtstrend, der Risiken für den gesamten Markt und die Banken bereithält. Denn die deutschen Banken sind mitunter deutlich abhängig von den Immobiliendarlehen. Wenn diese einbrechen, verlieren die Banken einen eminent wichtigen Bestandteil ihres Produktportfolios, der rund 40 % der Bankenkredite ausmacht.
Politik und Notenbanker müssen die Wechselwirkungen im Blick behalten, da steigende Zinsen zwar einerseits die Inflation in Richtung Preisstabilität (rund 2 %) drücken können, aber andererseits eben auch Gefahren für wichtige Bestandteile der Wirtschaft bergen.
Dies spüren auch die Immobilienkonzerne. Beispielsweise will Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia die Investitionen deutlich weniger reduzieren – Verunsicherung so weit das Auge im Immobiliensektor reicht.
Deutschlands größter Immobilien-Konzern Vonovia will wegen gestiegener Baupreise und Zinsen weniger investieren. Im nächsten Jahr sollen rund 850 Millionen Euro in Modernisierung und Neubau fließen. Für das laufende Jahr waren noch bis zu 1,5 Milliarden Euro geplant.
— MDR AKTUELL (@MDRAktuell) November 4, 2022