Immobilienmarkt

Im Jahr 2023 zeigt sich eine deutliche Veränderung auf dem deutschen Immobilienmarkt. Nach jahrelangem Boom und kontinuierlich steigenden Preisen scheint eine Trendwende erreicht. Die makroökonomischen Belastungsfaktoren in Form steigender Zinsen und die grassierende Inflation haben tiefgreifende Auswirkungen. Die Preise für Rohstoffe haben sich verteuert, die Baubranche ist angeschlagen. Der Immobilienmarkt erleidet eine erste Preiskorrektur, die Auswirkungen sind unverkennbar: In vielen Regionen sinken die Preise für Wohnungen und Häuser. Nun könnten die Bauzinsen noch in 2023 ein Niveau jenseits der 5 % erreichen, was signifikante Mehrbelastungen für Immobilienbesitzer mit sich bringen würde.

Neuanträge für Baufinanzierungen brechen ein: Zinsen explodieren

Die Einschläge im deutschen Immobilienmarkt werden immer deutlicher: Die Neuanträge für Baufinanzierungen sind im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent gesunken. Als wesentlicher Faktor wird der Anstieg der Zinsen angeführt, denn die EZB treibt eine beispiellose Straffungspolitik voran, um der Rekordinflation Einhalt zu gebieten. Dabei erreichten die Bauzinsen für zehnjährige Darlehen zeitweise schon die Marke von 4 %, aktuell betragen die Bauzinsen für 10 Jahre Sollzinsbindung im März 2023 3,85 %.

Die Zinsentwicklung der zehnjährigen Bundesanleihen ist dabei ein wichtiger Faktor. Denn diese beeinflussen die Pfandbriefzinsen, die wiederum Einfluss auf die Bauzinsen ausüben. Denn die Banken wickeln das Baufinanzierungsgeschäft primär über den Handel mit Pfandbriefen ab. Pfandbriefe und Bundesanleihen gelten als sichere Anlageformen und sind daher bei defensiven Investoren beliebt. Diese stellen den Referenzzinssatz für Hypothekendarlehen dar. Wenn die Renditen für Pfandbriefe und Bundesanleihen steigen, steigen ergo auch die Zinsen für Baukredite, da die Banken ihrerseits höhere Kosten für die Kreditvergabe haben.

Die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen haben nun mit 2,72 % den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt erreicht.

Die Zinsentwicklung im Bausektor kennt aktuell nur eine Richtung, so Daten von Statista von März 2022 bis März 2023:

Monat 10 Jahre Sollzins 15 Jahre Sollzins
März 2022 1,66 % 1,9 %
April 2022 2,04 % 2,3 %
Mai 2022 2,59 % 2,83 %
Juni 2022 2,79 % 3,01 %
Juli 2022 3,34 % 3,58 %
August 2022 2,86 % 3,14 %
September 2022 3,06 % 3,29 %
Oktober 2022 3,65 % 3,8 %
November 2022 3,9 % 4,04 %
Dezember 2022 3,58 % 3,7 %
Januar 2023 3,78 % 3,91 %
Februar 2023 3,6 % 3,73 %
März 2023 3,85 % 3,95 %

Zinserhöhungen der EZB: Inflation bleibt hartnäckig, aggressive Zinsschritte voraus

Die Renditen am Anleihenmarkt stiegen zuletzt deutlich an, an den Märkten kehrte die Angst aggressiver Zinserhöhungen wieder zurück. Mittlerweile scheint das Aufwärtspotenzial jedoch begrenzt. Jetzt stellt sich als zentrale Frage, wann die Europäische Zentralbank ihren Zinserhöhungszyklus beenden wird. Die EZB dürfte voraussichtlich im ersten Halbjahr den Höhepunkt des Zyklus erreichen – allerdings gibt es aktuell noch widersprüchliche Aussagen. Zugleich dürften die Zinsen stärker steigen, da die EZB die Konjunktur bis dato kaum gedämpft hat. Nur wenn die EZB es wirklich schafft, die Inflation zu senken, werden auch die Renditen der Anleihen und somit die Baufinanzierungszinsen wieder auf ein verträgliches Niveau abfallen. Doch auch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale bleibt evident. Schließlich fordern die Gewerkschaften aktuell massive Lohnsteigerungen.

Bedarf an Wohnraum steigt langfristig: Wann erholen sich Baufinanzierungen?

Trotz all dieser Entwicklungen bleibt der hohe Bedarf an Wohnraum in Deutschland (vorerst) bestehen. Einerseits hat die Corona-Pandemie den Wunsch vieler Menschen nach Wohneigentum verstärkt. Andererseits steigt die Anzahl der Einpersonenhaushalte, während eine starke Einwanderung von zwingender Notwendigkeit ist, um den Fachkräftemangel wenigstens abzumildern. Die aktuell diskutierte Lockerung der Einwanderungsgesetze dürfte diese Entwicklung noch anfachen, um wirklich qualifizierte Einwanderung zu bewerkstelligen.

Mittelfristig dürften sich die Finanzierung und der Bau neuer Immobilien erholen, möglicherweise wird der Staat erneut Anreize nutzen, wie eine direkte oder indirekte Förderung des Wohnungsmarktes, um den Immobilienmarkt dann wieder anzukurbeln.

Allerdings darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass staatliche Eingriffe in den Markt und finanzielle Unterstützungen auch negative Folgen haben. Obwohl der Bedarf an Wohnraum in Deutschland weiterwächst, haben staatliche Interventionen oft Verzerrungen auf dem Immobilienmarkt bedingt – auch die globale Finanzkrise 2008 lag nicht primär im freien Markt begründet, sondern war vielmehr von staatlichen Anreizen (mit-)verursacht.

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