Die Unternehmensberatung Ernst & Young veröffentlichte kürzlich die Analyse „European Bank Lending Forecast“, die auf den aktuellen Konjunkturprognosen und Daten der europäischen Zentralbank basiert. Demgegenüber erwarte man in Deutschland eine Rezession und einen spürbaren Einbruch am Immobilienmarkt. Dies werde sich auch in der Nachfrage nach Bankkrediten ausdrücken. Während das Wirtschaftswachstum für 2022 noch bei 1,5 % gesehen wird, dürfte 2023 die Wirtschaftsleistung um über 1 % schrumpfen. Deutschland sei damit eine der größten Eurozone-Volkswirtschaften mit dem stärksten Wirtschaftseinbruch in 2023.
Konjunkturelle Abkühlung in Deutschland vergleichsweise stark
Eine Rezession steht in Deutschland nach Prognosen von Ernst & Young unmittelbar bevor. Im kommenden Jahr sehen die Experten einen Rückgang beim BIP um 1,1 %. Dies stellt sich deutlich dramatischer als in der gesamten Eurozone dar. Denn die Währungsunion soll nur um 0,1 % schrumpfen und damit beinahe stagnieren. Deutschland hat es in der aktuellen Situation schwer, die Wirtschaftsleistung zu behaupten. Die nächsten Monate und mitunter auch Jahre dürften mittelfristig entscheidend für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein. Hier kann durch wegweisende Entscheidungen Wohlstand bewahrt oder eben auch riskiert werden.
„Die deutsche Wirtschaft steht unter erheblichem Druck durch hohe Energiepreise, die Drosselung der Gaslieferungen aus Russland und eine schwächer werdende Nachfrage. Über den Winter dürfte die Wirtschaft daher spürbar schrumpfen“
Große Volkswirtschaften wie Frankreich oder Spanien sollen im kommenden Jahr sogar weiterwachsen. In Italien, eigentlich ein europäisches Sorgenkind, wird nur ein Minus von 0,1 % erwartet.
Kreditvergabe an Unternehmen mit drastischem Einbruch
Die Kreditvergabe an Unternehmen wird besonders stark sinken. Deutsche Unternehmen werden voraussichtlich wenig investieren und sich gegen eine Refinanzierung bei den Banken entscheiden. Nachdem im laufenden Jahr die Anzahl der Unternehmenskredite noch um 7,3 % anstieg – übrigens ein Rekord -, wird es im kommenden Jahr einen Rückgang von 2,9 % geben. Dies dürfte sowohl der makroökonomischen Situation als auch einer gewissen Korrektur nach dem Rekordhoch geschuldet sein. In der gesamten Eurozone erwartet EY ein Minus von 2,7 % – geringfügig weniger als in Deutschland.
Jahrzehntelanger Boom der Immobilienbranche zu Ende
Das veränderte Verhalten bei der Kreditvergabe wird insbesondere auch nach einem jahrelangen Boom den Immobilienmarkt belasten. Aktuell steigt die Anzahl an Immobilienkrediten noch um 6,2 %. Doch die Zinswende wird mittelfristig ein verändertes Verhalten bedingen. Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum der Geschichte angehören. Der Bestand an Immobilienkrediten dürfte dann um 0,1 % zurückgehen.
„Auf dem Immobilienmarkt hat sich das Blatt gewendet: Die stark gestiegenen Zinsen bremsen die Nachfrage nach Immobilienkrediten, zudem erscheinen Immobilien, deren Preise zwischen Q1 2019 und Mitte 2022 um 35 Prozent gestiegen sind, in vielen Regionen inzwischen überbewertet“
Kreditausfälle könnten zunehmen
EY geht für das kommende Jahr von einem steigenden Volumen an notleidenden Krediten aus. Demnach könnte der Anteil am gesamten Kreditvolumen auf 2,3 % steigen, aktuell sind es noch überschaubare 1,2 %. Für die gesamte Eurozone sieht es noch dramatischer aus. Hier könnte die Anzahl auf 3,3 % ansteigen. Wenigstens bei diesem Indikator kommt somit Deutschland vergleichsweise gut weg. Denn eine Rezession würde die Kreditausfälle nach oben treiben. Dies wurde in der Vergangenheit noch durch staatliche Unterstützung verhindert, die insbesondere auch aus der Pandemiezeit stammt.
„Die Banken müssen sich darauf einstellen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen wieder steigt, wenn wir in eine Rezession geraten.“
Düstere Aussichten für Deutschlands Wirtschaft 2023
Zusammenfassend sind die Aussichten für die deutsche Volkswirtschaft nicht wirklich gut. Das BIP soll im kommenden Jahr sinken, die Immobilienbranche dürfte es hart treffen. Nun stellt sich die entscheidende Frage, ob die Wirtschaftsprognosen wirklich eintreffen und es zu einer harten Rezession kommt. Denn zumindest der Arbeitsmarkt stellt sich auch hierzulande noch relativ robust dar.