Die Entlassungswelle rollt voran. Nachdem Twitter oder Meta bereits massiv Stellen abgebaut haben, folgt wohl nun das nächste Schwergewicht. Nachdem jahrelang immer mehr Mitarbeiter bei Big Tech in den USA eingestellt wurden, ist die Trendwende mehr als offensichtlich. Amazon soll bereits in dieser Woche mit Entlassungen von über 10.000 Mitarbeitern beginnen. Betroffen sind insbesondere die Segmente „Devices“ (Amazon Alexa), „Retail“ und „Human Resources“. Nach einer schwächelnden operativen Entwicklung steigt das Kostenbewusstsein bei den ehemals so wachstumsstarken Technologiekonzernen. CEO Andy Jassi sieht sich über ein Jahr nach seiner Übernahme in einer schwierigen Situation, die gleichermaßen durch interne Probleme (explodierende Kosten) als auch makroökonomische Faktoren herbeigerufen wurde.
New York Times: 10.000 Mitarbeiter sollen bei Amazon gehen – größter Stellenabbau der Geschichte
Die New York Times berichtete zuerst, dass ungefähr 10.000 Mitarbeiter bei Amazon entlassen werden. Damit handelt es sich um den mit Abstand größten personellen Kahlschlag, den es jemals bei Amazon gegeben hat. Bereits in dieser Woche wird Amazon demnach mit den Entlassungen beginnen. Allerdings dürften sich die abgebauten Stellen erst sukzessive auf 10.000 akkumulieren. Denn man wolle den Stellenabbau von Team zu Team vorantreiben.
#Amazon will lay off more than 10,000 employees in corporate and technology roles beginning this week: Reporthttps://t.co/zHqdUg0Xrc
— CNBC-TV18 (@CNBCTV18Live) November 14, 2022
Gigantischer Internet-Konzern: Weniger als 1 % der Arbeitskräfte betroffen
Ein Stellenabbau, der 10.000 Mitarbeiter umfasst, scheint dramatisch. Dennoch sollte man dafür die Sphären des gigantischen Internetkonzerns kennen, in denen sich Amazon mittlerweile bewegt. Weit mehr als 1,5 Millionen Menschen arbeiten für das US-amerikanische Unternehmen, sodass sich der Stellenabbau auf weniger als 1 % beläuft. Wenn man jedoch ausschließlich die fest angestellten Mitarbeiter bei Amazon berücksichtigt, dürfte sich der Anteil der Entlassungen auf unter 3 % belaufen.
Das Mitarbeiterwachstum korrespondierte dynamisch mit der operativen Umsatz- und Gewinnentwicklung und wurde in den letzten Jahren drastisch ausgeweitet. Seit Corona verdoppelten sich die für Amazon tätigen Arbeitskräfte. Ein Einstellungsstopp wurde bereits festgelegt, nun dürfte die Belegschaft langsam reduziert werden.
Mitarbeiter von Amazon von 2007 bis 2021 (Daten von Statista)
2007 | 17.000 |
2010 | 33.700 |
2013 | 117.300 |
2016 | 341.400 |
2019 | 798.000 |
2020 | 1.298.000 |
2021 | 1.608.000 |
Amazon folgt auf Twitter, Meta und Co.
Für Branchenkenner dürften die Entlassungen von Amazon wenig verwunderlich sein. Denn die letzten Quartalszahlen offenbarten bereits Probleme beim global führenden E-Commerce-Konzern und Marktführer im Cloud Computing. Andere Tech-Unternehmen machten bereits den Anfang. Twitter startete die Massen-Entlassungen direkt nach der Übernahme durch Elon Musk. Auch Meta-CEO Mark Zuckerberg erklärte sich in einem öffentlich zugänglichen Brief bei den Mitarbeitern, warum es keinerlei Alternativen zum Stellenabbau im aktuellen Marktumfeld gebe.
Layoffs in 2022 (% of Workforce):
1. Twitter: 50%
2. Intel: 20%
3. Snapchat: 20%
4. Coinbase: 18%
5. Meta: 13%
6. Redfin: 13%
7. Credit Suisse: 5%
8. Goldman Sachs: 3%
9. Microsoft: 1%
10. Amazon: Hiring Freeze
11. Apple: Hiring FreezeThe layoffs are now spreading beyond tech.
— The Kobeissi Letter (@KobeissiLetter) November 13, 2022
Q3-Zahlen enttäuschten, schwacher Ausblick aufs Weihnachtsgeschäft: Amazon setzt auf Kosteneffizienz
Für Enttäuschung sorgten zuletzt die Q3-Zahlen, die unter den durchschnittlichen Schätzungen der Analysten lagen. Im Anschluss fiel die Amazon Aktie zweistellig, wohl auch aufgrund des schwachen Ausblicks in das für Amazon so wichtige Weihnachtsquartal. Erstmals seit dem Corona-Crash im April 2020 wird Amazon vom Markt mit unter eine Billion $ bewertet. Jetzt soll Kosteneffizienz helfen, wieder zurück zu alten Wachstumszahlen und einer neuen Bewertung zu gelangen.
E-Commerce kämpft mit Inflation & Rezessionsangst
Als Marktführer kämpft Amazon besonders stark mit der makroökonomischen Lage. Die steigende Inflation und anziehende Zinsen lassen den Konsum einbrechen, dies könnte sich im nächsten Jahr noch mehr auf die Kaufkraft der Konsumenten durchschlagen, da diese aktuell in den USA noch ihre Rücklagen aufbrauchen. Meist dauert es rund 12 Monate, bis Inflation und steigende Zinsen dann wirklich den Konsum massiv beeinträchtigen. Zugleich explodierten die Kosten bei Amazon. Die intern anziehenden Kosten sind insbesondere auf eine mangelnde Produktivität und Fehlallokationen bei der Kapazitätsplanung zurückzuführen. Hier könnten die Entlassungen eine erste Besserung versprechen.
Grundsätzlich scheint Amazon alles zu haben, was es für eine mittelfristige Rückkehr auf den Wachstumspfad benötigt wird.