Der frühere Finanzminister Lawrence Summers warnte nun einem Interview mit Bloomberg Television in der Wall Street Week vor einer Fed-Zinspolitik, die deutliche stärker steigende Zinsen bereithält, als dies der Markt aktuell erwarte. Die Warnungen des Finanzexperten kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn eigentlich hofften die Märkte nach freundlichen Äußerungen der US-Notenbank Federal Reserve, dass man im Dezember einen Zinsschritt um 50 Basispunkte wählt und sich der Zinszyklus schon wieder dem Höhepunkt nähert. Wenn es nach dem Finanzminister der Clinton-Legislatur geht, ist der Weg noch äußerst lang.

“We have a long way to go to get inflation down. I suspect they’re going to need more increases in interest rates than the market is now judging or than they’re now saying.”

Leitzinssatz bei 6 % realistisch: Zinsen werden weiter stark steigen

Aktuell gehen die Zinsfutures von einem Leitzinssatz von rund 5 % im Mai 2023 aus. Der derzeitige Zielbereich liegt eigentlich nur bei 3,75 % bis 4 %. Ökonomen gehen jedoch von weiterhin stark steigenden Zinsen aus – bei der nächsten Fed-Sitzung sollen nach historisch starken Zinsschritten erstmals die Zinsen wieder nur um 50 Basispunkte angehoben werden. Summers hält jedoch selbst einen Leitzinssatz von 6 % für möglich. Die Zinsen könnten länger und stärker steigen, als von vielen erwartet. Dies würde die Makroökonomie zunehmend belasten.

“Six is certainly a scenario we can write,”

US-Jobdaten indizieren starken Preisdruck in der Wirtschaft

Das Interview von Lawrence Summers fand am gestrigen Abend, nur wenige Stunden nach dem neuen Arbeitsmarktbericht in den USA statt – wir berichteten gestern. Denn der US-Arbeitsmarkt blieb äußerst robust. Die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft stieg deutlich stärker als erwartet.

Besonders kritisch blickten Marktteilnehmer jedoch auf die stark anziehenden Stundenlöhne. Ein weiterer Auftrieb der Inflation könnte von dieser Seite kommen, die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist aktuell real und könnte die Teuerungsrate manifestieren. Nach Auffassung des Ex-Finanzministers zeigen die Zahlen, wie stark der Preisdruck in der US-Ökonomie weiterhin ist. Die durchschnittlichen Stundenlöhne wurden um 0,6 % im Vergleich zum Vormonat angehoben, auf Jahressicht beträgt das Wachstum über 5,1 %.

Denn der emittierte Professor der Universität von Harvard und Bloomberg-Mitarbeiter sieht als Maßstab für eine realistische Betrachtung der Inflationsentwicklung die Löhne als besonders gut geeignet. Deshalb könnte die Inflation deutlich nachhaltiger sein, als die Menschen aktuell erwarten. Dies sage ihm seine Erfahrung und sein wirtschaftspolitisches Gefühl.

“My sense is that inflation is going to be a little more sustained than what people are looking for.”

Ad-hoc-Wirkung der geldpolitischen Maßnahmen

Der Arbeitsmarkt bleibt robust, die Inflation schwächt sich nur minimal ab und verharrt auf einem hohen Niveau. Nun könnte man anführen, dass zahlreiche Indikatoren für die US-Wirtschaft darauf hindeuten, dass die geldpolitische Straffung der Fed noch keine Wirkungen zeigt. Doch derartige Veränderungen treten plötzlich an. Dann gebe es auf einmal dramatische Entwicklungen, es bestehe ein echtes Risiko, dass in diesem Fall eine Lawine entstehe und die US-Wirtschaft in eine dramatische Rezession bringe.

“Once you get into a negative situation, there’s an avalanche aspect — and I think we have a real risk that that’s going to happen at some point”

Dabei wisse er kaum, ob und wann es so weit wäre. Sollte es zu einem wirtschaftlichen Abschwung kommen, könnte dieser jedoch heftig ausfallen.