Halbleiterbranche

Die US-Administration von Biden hat in 2022 neue Beschränkungen für Chips aus China entlassen, die sich mittelfristig tiefgehend auf die Halbleiterbranche auswirken könnten. Denn immer mehr Chiphersteller denken über Standortwechsel nach und könnten die Produktionsketten in Zukunft stärker geografisch diversifizieren. Mehr Unabhängigkeit von China lautet der Tenor unter den Chip-Giganten. Vietnam und Indien könnten sich als Gewinner herauskristallisieren, die für die Globalökonomie durch die wichtigen Computerchips dann unentbehrlich werden. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg – denn Chinas Vorsprung ist gigantisch.

US-Restriktionen gegen Halbleiter aus China: Flucht aus dem Reich der Mitte?

Dass der geopolitische Dualismus zwischen den USA und China mittelfristige Risiken birgt, war lange klar. Dass die Halbleiterbranche besonders gefährdet ist, ebenso. Denn Halbleiter sind für High-Tech-Produkte von essenzieller Bedeutung. Die Produktion ist global kaum diversifiziert, die Abhängigkeit von China signifikant. Bereits im Oktober verabschiedeten die USA Richtlinien, sodass Unternehmen innovative Halbleiter oder Produktionsanlagen nicht mehr nach China exportieren dürfen. Inwieweit die Restriktionen noch weiter verschärft werden, scheint unklar. Infolgedessen ist das Interesse vorhanden, die Halbleiterproduktion aus China zu verlagern. Schließlich könnten bei einer Verschärfung der Restriktionen ausschließlich in China produzierende Unternehmen in existenzielle Bedrängnis gebracht werden.

Verwerfungen in globaler Halbleiterindustrie

Die jüngsten Restriktionen gegen China beschleunigen den Wandel der Halbleiterindustrie, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittliches Wachstum generierte. Zunächst zog es die Halbleiter-Unternehmen nach China – die Wettbewerbsfähigkeit rund um Computerchips war gegen jeden Zweifel immun. Doch in den vergangenen Jahren stiegen die Arbeitskosten. Die Zero-Covid-Politik und die wenig kalkulierbare Regierung im Reich der Mitte sind Unternehmen ebenfalls schon länger ein Dorn im Auge. Ergo sind derartige Umwälzungen keine neue Erscheinung, Südostasien wurde als attraktiver Standort auserkoren.

Starke Vorteile einer diversifizierten Lieferkette

Nicht erst Produktionsausfälle beim wertvollsten US-Tech-Unternehmen Apple offenbarten die Vorteile einer diversifizierten Lieferkette, die auch Apple in den vergangenen Jahren vernachlässigte. Unternehmen wollen ihre Produktion breiter aufstellen und sich nicht nur auf eine einzige Fertigung oder einen Standardort verlassen. Geopolitische Verwerfungen beschleunigen die Dynamik. Denn der Ukraine-Krieg 2022 ist zu gut in unserem Gedächtnis verankert.

China bleibt wichtig: Vorsprung bei Halbleitern

Experten verweisen trotz ernsthafter Bemühungen, die Halbleiterproduktion stärker zu diversifizieren, auf die Vorteile in China. Die globale Vorherrschaft dürfte kurzfristig nicht infrage gestellt werden. Der Vorsprung sei komfortabel und das Reich der Mitte bleibt von essenzieller Bedeutung für die Halbleiterproduktion. Zugleich umgehen die Chip-Giganten TSMC, Samsung und SK Hynik die Restriktionen, da diese zunächst eine einjährige Ausnahmegenehmigung erhalten haben. Eine Verlängerung dürfte obligatorisch sein. Insbesondere das marktführende Unternehmen TSMC, das sich weltweit für mehr als die Hälfte aller Halbleiter verantwortlich zeigt, wird somit weiterhin in China produzieren.

Der Marktanteil dürfte sich für China aktuell über 15 % belaufen. Damit stammen mehr Halbleiter aus China als den USA. Führend sind hier Taiwan und Südkorea, doch auch hier ist der chinesische Einfluss evident. Fraglich dürfte insbesondere kurzfristig sein, inwieweit andere Staaten ohne bereits ausgebaute Produktionskapazitäten Chinas Anteile partiell übernehmen können.

Vietnam und Indien erhöhen sukzessive die Diversifikation: Neutralität als Wettbewerbsvorteil

Vietnam und Indien scheinen für viele Unternehmen die logische Wahl, die insbesondere von einem gänzlich anderen Neutralitätsdogma profitiert. Denn Südkorea und Taiwan weisen enge Verbindungen zu China auf. Indien und Vietnam sind tendenziell eher über Zweifel erhaben und könnten somit als dritte Partei zwischen China und den USA vermitteln – schließlich ist die Halbleiterbranche für die Globalökonomie von herausragender Bedeutung.

Vietnam investierte bereits Milliarden $ in den Aufbau von Forschungszentren, um die Attraktivität für Chiphersteller zu erhöhen. Samsung möchte beispielsweise erneut über 3 Milliarden $ in Vietnam investieren. Ähnlich sieht dies in Indien aus, obgleich die hohen initialen Investitionen hier noch als Hürde verstanden werden. Dafür überzeugt Indien als Standort mit einer schier unermesslichen Masse an Humankapital.