In neuen Erhebungen des ifo-Instituts zeigt sich ein zunehmender Mangel an Aufträgen, der die deutsche Wirtschaft belastet. Im April berichteten demnach 39,5 Prozent der Industriefirmen über fehlende Aufträge, ein Anstieg gegenüber 36,9 Prozent im Januar. Auch im Dienstleistungssektor ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen, von 32,1 Prozent auf 32,4 Prozent. Besonders betroffen sind energieintensive Branchen in der Industrie sowie Personalagenturen im Dienstleistungssektor, von denen 63,9 Prozent unter Auftragsmangel leiden. Dieser Trend zeigt eine gedämpfte wirtschaftliche Dynamik. Eine Erholung bleibt aus und insgesamt deutet vieles auf eine schwächelnde Konjunktur hin.
Die deutsche Wirtschaft brummt nicht mehr. Vom einstigen Wirtschaftswunder ist die Bundesrepublik Deutschland in 2024 weit entfernt und verkommt immer mehr zu einem europäischen Sorgenkind.
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland zeigt dabei diverse Anzeichen von Schwierigkeiten. Prognosen für das Jahr 2024 von renommierten internationalen Organisationen wie der Europäischen Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der OECD deuten darauf hin, dass Deutschland im Vergleich zu anderen entwickelten Volkswirtschaften zu den Nachzüglern in Bezug auf das Wirtschaftswachstum zählen wird. Dabei hat Deutschland über die letzten zehn Jahre hinweg erheblich an wirtschaftlicher Attraktivität eingebüßt. Die Herausforderungen werden größer, nicht kleiner.
So hat sich auch das ifo-Institut gemeinsam mit führenden Wirtschaftswissenschaftlern mit einem Ausblick für die deutsche Wirtschaft beschäftigt – die Erkenntnisse sind gelinde gesagt durchwachsen:
Durchwachsenes Zeugnis: Mehrheit skeptisch für Deutschland
Die Bewertung des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch Professoren an deutschen Universitäten fällt gemischt aus, mit einer durchschnittlichen Note von 3,4 im internationalen Vergleich. 22 Prozent der Befragten beurteilen den Standort noch positiv. Diese Gruppe hebt Deutschlands gut ausgebildete Arbeitskräfte, seine starke Forschungsbasis und die Innovationskraft der Unternehmen hervor. Zusätzlich werden die stabilen politischen Verhältnisse, die Rechtssicherheit und die soliden institutionellen Rahmenbedingungen als positive Aspekte genannt.
Demgegenüber steht die Mehrheit der Ökonomen, die Deutschland mittelmäßig einstuft: 38 Prozent vergeben die Note „befriedigend“ und 17 Prozent nur noch „ausreichend“. Diese Gruppe erkennt zwar die Stärken in Bildung und institutionellen Rahmen, äußert jedoch Bedenken über die Erosion dieser Substanz und einen Verlust der Standortattraktivität. Kritisiert werden vor allem die umfangreiche Bürokratie, fehlende öffentliche Investitionen, Fachkräftemangel, hohe Energiepreise und eine mangelhafte Digitalisierung. Deutschlands Wirtschaft wirkt angeschlagen.
Weiterhin sehen 20 Prozent der Befragten den Standort nur als „mangelhaft“ und 3 Prozent als „ungenügend“ an, vorrangig wegen hoher Bürokratie, Steuern, Energiekosten, geringen Investitionen, schleppender Digitalisierung und demografischen Herausforderungen. Auch die Wirtschaftspolitik der aktuellen Regierung wird als belastend empfunden. Hier ist der Anteil sogar größer als bei den Noten „sehr gut“ und „gut“.
Diese Schwächen belasten Deutschlands Ökonomie
Die wirtschaftlichen Standortfaktoren Deutschlands zeigen erhebliche Schwächen, die von Ökonominnen und Ökonomen hervorgehoben wurden. Kritische Bereiche wie die Verfügbarkeit von Arbeits- und Fachkräften sowie die Beständigkeit der Wirtschaftspolitik werden jeweils von 38 Prozent der Befragten als große Schwächen eingestuft.
Infrastrukturelle Gegebenheiten und das Steuersystem werden fast von der Hälfte der Befragten als nachteilig für den Standort Deutschland betrachtet. Besonders besorgniserregend sind die Einschätzungen zu den Lohnnebenkosten und zur Digitalisierung. Hier sehen 60 Prozent bzw. 67 Prozent der Befragten deutliche Defizite.
Noch gravierender ist die Wahrnehmung von Energie und Rohstoffen, die von 74 Prozent als Schwäche angesehen werden. Die größten Bedenken bestehen jedoch hinsichtlich Regulierung und Bürokratie: Ein überwältigender Anteil von 87 Prozent der Studienteilnehmer sieht darin eine erhebliche Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Weniger Steuern & Abgaben, mehr Freiheit
Die Wirtschaftswissenschaftler plädieren entschieden für tiefgreifende Reformen, die Deutschlands Position als Wirtschaftsstandort stärken (oder retten) könnten. Ihre Vorschläge richten sich vor allem auf die Aspekte, die als größte Hindernisse für wirtschaftliches Wachstum identifiziert wurden: Regulierung und Bürokratie, Steuern sowie Energie und Rohstoffe. Diese Bereiche stehen im Zentrum der Kritik und bedürfen dringender Überarbeitung, um Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen.
In Bezug auf Regulierung und Bürokratie fordern die Ökonomen eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Bau und Investitionen sowie eine effizientere Gestaltung öffentlicher Ausschreibungen. Diese schlagen ferner vor, sowohl neue als auch bestehende Gesetze intensiver auf ihre bürokratische Belastung zu prüfen und eine Verwaltungskultur zu fördern, die sich durch eine Service-Mentalität auszeichnet.
Im steuerlichen Bereich sehen die Fachleute erheblichen Bedarf für Senkungen und Vereinfachungen im Steuersystem, um den Standort Deutschland attraktiver zu gestalten. Zusätzlich weisen sie auf die Notwendigkeit hin, das Renteneintrittsalter anzupassen und die Sozialabgaben so zu reformieren, dass längere Arbeitszeiten gegenüber der Arbeitszeitverkürzung bevorzugt werden, um den demografischen Herausforderungen und der steigenden Belastung durch Sozialausgaben entgegenzuwirken.
Diese Maßnahmen könnten dann nicht nur die unternehmerische Freiheit erhöhen, sondern auch dringend benötigte Impulse für Innovation und Investitionen liefern. Denn die Umfrage zeigt, dass ein „Weiter so“ für Deutschlands Wirtschaft nicht mehr lange tragfähig sein dürfte.