Im Juli sank die Inflation in der Eurozone erneut und erreichte den niedrigsten Wert seit Anfang 2022, mit einer Rate von 5,3 %. Die vorläufigen Daten von eurostat zeigten, dass die Inflation somit geringfügig unter der Inflationsrate aus dem Juni (5,5 %) lag. Obwohl die Rate immer noch deutlich über dem 2 %-Ziel der Europäischen Zentralbank, ist, deutet sich eine Abschwächung der Preissteigerungen an. Die EZB hat die Zinsen seit dem vergangenen Jahr um mittlerweile 425 Basispunkte angehoben, um die mitunter zweistellige Inflation zu bekämpfen.
Die Kerninflation, die volatile Lebensmittel- und Energiepreise ausschließt, blieb im Juli mit 5,5 % stabil. Viele Ökonomen betrachten die Kerninflation als besseren Indikator für den langfristigen Inflationstrend.
Preisauftrieb bei Lebensmitteln & Energie klar rückläufig
Im Juli verzeichnete die Inflation in vielen Bereichen eine Abschwächung. Obwohl Lebens- und Genussmittel immer noch um 10,8 Prozent teurer waren als im Vorjahr, zeigt der Trend eine rückläufige Entwicklung. Die Energiepreise gingen erneut stark um 6,1 Prozent zurück, nachdem sie im vergangenen Jahr noch stark angestiegen waren. Anfänglich war der Preisdruck im Euroraum vor allem auf hohe Energiekosten zurückzuführen. Zuletzt hatten die Lebensmittelpreise den größten Einfluss auf die Inflation. Im Juli wurden Lebensmittel, Alkohol und Tabak erneut zu den Treibern der Inflation, wobei der Preisanstieg jedoch geringer ausfiel als in den Vormonaten. Auch der Dienstleistungssektor treibt den Preisauftrieb an.
Wirtschaft wächst stärker als erwartet
Der Euroraum konnte knapp einer technischen Rezession entgehen, da im ersten Quartal das BIP stagnierte und im Schlussquartal 2022 um 0,1 Prozent schrumpfte. Volkswirte hatten im Durchschnitt ein Wachstum von 0,2 Prozent für das zweite Quartal erwartet. Neue Daten zeigten nun, dass sich das Wachstum im zweiten Quartal beschleunigte und mit 0,3 Prozent über den erwarteten 0,2 Prozent lag. Somit kann der Euroraum die technische Rezession (vorerst) weiter vermeiden. Zuletzt äußerte sich Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, optimistisch über die Konjunktur:
“Die BIP-Zahlen für Frankreich, Deutschland und Spanien für das zweite Quartal sind recht ermutigend. Sie unterstützen unser Szenario eines BIP-Wachstums von 0,9 Prozent im Euroraum in diesem Jahr.”
Fraglich bleibt, ob diese Aussagen auch in der zweiten Jahreshälfte Geltung beanspruchen können. Denn das BIP-Wachstum hat die Eurozone aktuell Irland und Frankreich zu verdanken, ohne die es eine Stagnation gegeben hätte. Dies zeigt, wie schlecht es in vielen europäischen Volkswirtschaften, allen voran Deutschland, läuft.
Restriktive Geldpolitik wirkt langsam: Zinssenkungen in 2023?
Eine restriktive Geldpolitik wirkt mit Verzögerung und bringt die Inflation nur langsam herunter, weil die Auswirkungen nicht sofort im gesamten Wirtschaftssystem spürbar sind. Zunächst müssen die Zinssätze erhöht werden, um die Geldmenge zu verringern und die Kreditvergabe zu verlangsamen. Dies dauert jedoch einige Zeit, bis sich die Änderungen auf die Kreditnachfrage und Investitionen auswirken. Zudem haben viele wirtschaftliche Entscheidungen langfristige Auswirkungen. Unternehmen und Haushalte müssen sich erst auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen. Zugleich lassen sich beispielsweise Mieten und Löhne nur schwer und langsam anpassen.
Schließlich hängt die Effektivität einer restriktiven Geldpolitik auch von anderen wirtschaftlichen Faktoren ab. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass eine restriktive Geldpolitik Zeit benötigt, um die Inflation wirksam zu bekämpfen und die Preise stabil zu halten.
Doch wenn die restriktive Geldpolitik irgendwann wirkt, kann sie die Wirtschaft hemmen. Das vielzitierte Soft Landing ist eine Gratwanderung für Notenbanken. Hier gilt es, der Geldpolitik Zeit zu geben, um zu wirken, doch eben auch nicht zu viel Zeit, damit sich die Inflation nicht manifestiert.
Damit dürfte die EZB so langsam unter Druck geraten, die Schraube nicht zu überdrehen. Denn auch die Wirtschaft in der EU wächst aktuell äußerst langsam, obgleich die Eurozone eben nicht in eine technische Rezession geriet. Eine Zinspause ist mittlerweile wahrscheinlich, möglicherweise ist auch der Höhepunkt des Straffungszyklus bereits erreicht.
Doch fallende Zinsen werden Anleger wohl erst im kommenden Jahr sehen, wenn die Inflation der Zielrate deutlich nähergekommen ist.