Nach der Corona-Pandemie haussierten die Börsen. Der IPO-Markt boomte und zahlreiche Unternehmen nutzen das hohe Bewertungsniveau, um frisches Kapital einzusammeln. Doch spätestens mit dem Ukraine-Krieg, der hohen Inflation und einer aggressiven Straffungspolitik der Federal Reserve brach der IPO-Markt ein. Viele Unternehmen sagten ihren Börsengang ab oder verschoben diesen auf unbestimmte Zeit. Doch es gibt Lebenszeichen im IPO-Markt. Denn nach Bloomberg-Daten wurden im März und April global rund 25 Milliarden $ bei IPOs eingesammelt und damit doppelt so viel wie noch im Januar und Februar.
Solider Markt als Chance: Asiatische Unternehmen besonders risikofreudig
Der Rückgang der Marktvolatilität verschaffte eine günstige Gelegenheit für Emittenten auf der ganzen Welt, die seit über einem Jahr verzweifelt auf den passenden Zeitpunkt für den IPO warteten. Besonders Asien verzeichnete eine hohe Aktivität im IPO-Markt. Auch die europäischen Börsen erholten sich (leicht). Aufgrund der Rezessionsängste scheuten jedoch insbesondere US-Emittenten das Risiko und die vollständige Erholung der Märkte schwächte sich dadurch ab. Die durchschnittlichen Transaktionsvolumina waren geringer und das bisher in diesem Jahr aufgenommene Kapital liegt um 51 % unter dem Vorjahreszeitraum.
Jason Manketo von Linklaters äußerte sich dezidiert:
“Wir sehen erste Anzeichen von Aktivität bei Unternehmen, die Prozesse wieder aufnehmen, die auf Eis gelegt waren, aber es gibt immer noch ein gewisses Maß an Unsicherheit auf dem Markt. Die Käuferseite möchte die Ergebnisse einiger Quartale abwarten, bevor sie sich für einen Börsengang entscheidet. Das bedeutet, dass die potenzielle Pipeline von einigen Transaktionen aus dem Jahr 2023 auf das Jahr 2024 verschoben wurde”.
Kritisch könnte man anführen, dass sich die Erholung im IPO-Markt ausschließlich aus asiatischen Börsengängen speist. Denn in Europa und den USA gab es im März sogar einen erneuten Rückgang. Die Erholung bewegt sich noch auf einem niedrigen Niveau.
Wenn man die Daten genau betrachtet, zeigt sich, dass Asien derzeit weltweit die Region mit den meisten Neuemissionen ist. Im Vergleich zum Vorjahr, als die meisten großvolumigen Transaktionen auf dem chinesischen Festland stattfanden, stammen die Emissionen in diesem Jahr aus einem breiteren asiatischen Raum, vornehmlich auch Südostasien.
Markt in Europa und den USA bleibt schwierig: IPOs aktuell wenig beliebt
Die Aktivitäten auf dem europäischen IPO-Markt sind im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 12 % zurückgegangen, als der Konflikt in der Ukraine erstmalig neue Börsennotierungen beeinträchtigte. Die Anleger sind durch schlechte IPO-Renditen abgeschreckt, was zu harten Bewertungen für neue Unternehmen führte. In den USA sind die Aussichten für Börsengänge ebenfalls schwierig, sodass Unternehmen in diesem Jahr nur 4,1 Mrd. USD eingenommen haben und die meisten neuen Notierungen eher im Segment der Penny Stocks verordnet werden.
Zinspolitik das größte Problem für IPOs 2023
Für die Unsicherheit gibt es einen Grund – die Zinspolitik der Notenbanken. Denn die aktuelle Bewertung am Aktienmarkt wird durch eine Abzinsung des zukünftigen Cashflows im Rahmen von DCF-Methoden berechnet.
Bei der Discounted Cashflow (DCF)-Methode werden die Leitzinsen als Diskontierungsfaktor berücksichtigt, um den Barwert zukünftiger Cashflows zu ermitteln. Die Methode basiert auf der Annahme, dass der heutige Wert eines zukünftigen Cashflows umso höher ist, je niedriger der Zinssatz ist, den ein Investor als Alternative für die Verwendung seines Geldes erhält.
Im DCF-Modell werden die zukünftigen Cashflows einer Investition ermittelt und auf den Barwert abgezinst, indem der Diskontierungsfaktor auf den Cashflow angewendet wird. Der Diskontierungsfaktor basiert hier auf dem risikofreien Zinssatz und dem Risikoaufschlag, der das spezifische Risiko des Investments widerspiegelt.
Je höher der Zinssatz, desto niedriger ist der Barwert der zukünftigen Cashflows, und je niedriger der Zinssatz, desto höher ist der Barwert der zukünftigen Cashflows. Daher haben Änderungen der Leitzinsen einen direkten Einfluss auf die Bewertung von Investitionen, die auf der DCF-Methode basieren. Steigende (oder konstant hohe) Zinsen verbilligen die Bewertung im Hier & Jetzt.
“Wie kann man einen Preis für ein Geschäft festlegen, wenn man nicht weiß, wie hoch die Kapitalkosten auf einer zukunftsorientierten Basis wirklich sein sollten? Eine gewisse Klarheit über die Zinssätze ist entscheidend.“, so Patrick Galley von RiverNorth Capital Management.
Neue IPOs 2023: Das steht Anlegern bevor
Obwohl ein IPO für ein Unternehmen attraktiv sein kann, birgt er auch hohe Kosten und strenge Regulierungsanforderungen, sodass die Unternehmen in schwierigen Marktumfeldern die Sinnhaftigkeit eines sofortigen IPOs sorgfältig evaluieren und tendenziell eine Verschiebung präferieren. Zweifelsfrei stehen die IPO-Pläne in 2023 bei vielen Unternehmen zur Disposition.
Dennoch planen einige Unternehmen wie der britische Halbleiterhersteller Arm und die Social-Media-Plattform Discord einen Börsengang im Jahr 2023. Arm beabsichtigt nun einen IPO, nachdem die angepeilte Übernahme durch NVIDIA im vergangenen Jahr gescheitert war, während Discord ebenfalls optimistisch scheint, den IPO in diesem Jahr durchzuführen. Doch alles dürfte eben auch von der Federal Reserve abhängen …