Eigentlich läuft es in der Wirtschaft besser als gedacht. Eine zunehmende Erholung zeigte sich nicht nur bei makroökonomischen Daten, sondern auch der wichtigen Stimmung in der Ökonomie. Nun offenbaren die ZEW-Konjunkturerwartungen als wichtiger Früh-Indikator für die Konjunktur im nächsten halben Jahr eine Trendwende.
Denn im April 2023 gab es einen überraschenden und doch deutlichen Rückgang. Der Früh-Indikator fiel von 13 auf 4,1 Punkte. Besonders dramatisch scheint auch die Diskrepanz zwischen den Schätzungen. Denn die Analysten gingen im Median von einem Anstieg auf 15,6 Punkte aus. Bereits im März gab es nach deutlichen Anstiegen eine erste Korrektur, die sich soeben ausweitete. Doch was bedeutet der Rückgang bei den ZEW-Konjunkturerwartungen?
Steigende Zinsen belasten Ausblick: ZEW-Präsident sieht mehrere Belastungsfaktoren
Insbesondere die steigenden Zinsen der hawkischen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank belasten aktuell die deutsche Konjunktur. Denn die weiterhin grassierende Inflation und die hohen Zinsen trüben den Ausblick ein. Augenscheinlich befürchten die befragten Experten eine Kreditklemme.
Die Folgen der #Bankenkrise für die #Realwirtschaft werden immer wahrscheinlicher, wie die aktuelle Umfrage der ZEW zeigt. #Ökonomen warnen bereits vor einem Risikodreiklang für die deutsche #Konjunktur. Den Artikel dazu von @lexe_wiedmann hier lesen:https://t.co/ACKwzc4Xpn pic.twitter.com/0258kgTGiN
— The Pioneer (@ThePioneerDe) March 29, 2023
Eine Kreditklemme beschreibt eine Situation, in der Kreditinstitute aufgrund von Unsicherheiten und Risiken auf den Finanzmärkten ihre Kreditvergabe massiv einschränken. Dadurch haben Unternehmen und Haushalte Schwierigkeiten, neue Kredite zu erhalten, was wiederum die Investitions- und Konsumtätigkeit beeinträchtigen kann. Denn Liquidität wird verknappt. Eine Kreditklemme kann somit langfristig negative Folgen für die Wirtschaft haben, da Unternehmen weniger investieren und Haushalte weniger konsumieren. Die Konjunktur trübt sich ein. Eine solche Situation kann mitunter sogar die Finanzstabilität gefährden, indem höhere Ausfallraten von Krediten folgen und sich Insolvenzen mehren.
So schlimm ist es bei weitem (noch) nicht – doch die Experten sehen aktuell ein sich eintrübendes Chance-Risiko-Verhältnis für eine überraschend positive Konjunkturentwicklung.
So äußerte sich der ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach wie folgt:
„Die ZEW-Konjunkturerwartungen gehen spürbar zurück und signalisieren aktuell eine unveränderte konjunkturelle Lage auf Sicht von sechs Monaten. Die Konjunkturerwartungen werden von mehreren Faktoren negativ beeinflusst. Zum einen erwarten die Expertinnen und Experten eine vorsichtigere Kreditvergabepraxis der Banken. Zum anderen belasten die immer noch hohen Inflationsraten und die international restriktive Geldpolitik.“
Allerdings gebe es auch einen Lichtblick. Denn die Gefahr einer gravierenden Bankenkrise rückt wieder in den Hintergrund. Vielmehr haben sich die Ertragsaussichten für Banken wieder verbessert.
„Positiv ist, dass die Gefahr einer akuten Krise auf den internationalen Finanzmärkten nicht mehr gesehen wird: Die Ertragsaussichten für Banken und Versicherungsunternehmen haben sich gegenüber dem Vormonat verbessert und liegen wieder deutlich im positiven Bereich“
Dies bestätigen auch die ersten Earnings der US-Banken in der laufenden Berichtssaison.
EARNINGS: Bank of America reported Q1 earnings and revenue that topped expectations on the back of higher interest rates. https://t.co/KYmgEhs5Os pic.twitter.com/3prslFiYHr
— CNBC (@CNBC) April 18, 2023
Die ZEW-Konjunkturerwartungen als Früh-Indikator für die deutsche Wirtschaft
Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind eine monatliche Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter deutschen Finanzexperten. Dabei werden die Erwartungen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands in den nächsten sechs Monaten abgefragt und indexiert. Die Umfrage gilt als wichtiger Indikator für die Konjunkturprognosen-
Es gibt verschiedene Gründe, warum die ZEW-Konjunkturerwartungen deutlich fallen können. Dazu gehört beispielsweise die Verschlechterung der globalen Wirtschaftslage, zum Beispiel durch eine Rezession oder geopolitische Konflikte. Doch auch wirtschaftliche Faktoren wie eine höhere Inflation oder steigende Zinsen tragen dazu bei, dass die Konjunkturerwartungen sinken – dieses Mal wohl im entscheidenden Ausmaß.