Kredit

In der neuen Kreditmarktstudie der Unternehmensberatung EY (früher: Ernst & Young) analysieren die Wirtschaftsprüfer die deutsche Bankenlandschaft. Nach den Anfängen einer Bankenkrise scheint die EY-Studie relevanter denn je. Nun zeichnet sich demnach eine Trendwende in der deutschen Kreditlandschaft ab. Nach kräftigem Wachstum im Kreditgeschäft – begünstigt durch die Politik des lockeren Geldes und niedriger Zinsen – geht die Mehrheit der Befragten nun von einem Anstieg der Kreditausfälle und einer rückläufigen Kreditvergabe aus. Denn die hierzulande von der EZB eingeleitete Zinswende hat drastische Auswirkungen auf die Banken und deren wichtiges Kreditgeschäft. Im Hinblick auf die Energiekrise und die Lieferkettenprobleme könnten sowohl Verbraucher als auch Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kreditgebern einzuhalten.

Die Banken reagierten umgehend: Denn die befragten Banken setzen auf klassische Maßnahmen wie Stundungen, eine Laufzeitanpassung oder neue Zins- und Tilgungsvereinbarungen. Doch die Strategen von EY warnen vor der Relativierung der Gefahren:

„Langfristig ist hier aber Vorsicht geboten: Diese Maßnahmen lösen nicht das Problem, sie schieben es nur zeitlich auf. Vielmehr dürfte in dem unsicheren Umfeld das Risiko für Kreditausfälle weiter steigen und Neuanpassungen im Risikomanagement erfordern.“

Kreditvergabe rückläufig: 67 % der Befragten gehen von schwachem Neukundengeschäft aus

Das aktuelle Marktumfeld ist nach der Kreditmarktstudie schwierig. Denn rund 60 % der Befragten schätzen die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland eher schlecht ein. Nun dürften die Auswirkungen der russischen Invasion und die sich eintrübende Konjunktur im Zusammenhang mit der aggressiven Zinserhöhungspolitik der Notenbanken das Neukundengeschäft eintrüben. 67 % der Befragten aus der Studie gehen demnach davon aus, dass die Neukreditvergabe in den nächsten 12 Monaten zurückgeht. Dies dürfte sowohl Verbraucher, die bereits mit der hohen Inflation kämpfen, als auch Unternehmen, die temporär ihre Investitionen zurückfahren, betreffen. Allerdings gehen 15 % der Befragten sogar von einem leichten Anstieg aus.

Neukreditvergabe

Besonders deutlich offenbart sich die Trendwende in der vorhergehenden Grafik. Denn in den vergangenen Jahren ging stets die Mehrheit der Befragten von einer positiven Entwicklung der Neukreditvergabe aus. Nun sind die Banker in der überwiegenden Mehrheit skeptisch.

Banken Kreditvergabe

Übrigens wird die Neukreditvergabe nicht nur aufgrund der geringeren Nachfrage durch potenzielle Kreditnehmer voraussichtlich rückläufig sein. Vielmehr wollen auch die Banken ihrerseits das Risikomanagement optimieren, um die Bank-immanenten Gefahren effektiv zu managen. 76 % der Befragten äußerten sich dergestalt, dass man höhere Dokumentations- und Sicherheitsanforderungen stellen werde. Weiterhin verdreifachte sich gegenüber 2021 der Anteil der Befragten, die auch höhere Kreditnebenkosten in Aussicht stellen.

Inflation, Zinsentwicklung und Lieferkettenprobleme als maßgebliche Entscheidungskriterien

Die Banker wurden von EY ebenfalls befragt, welche Risikofaktoren ihrer Meinung nach für die Kunden besonders gravierend sind. Unter den externen Herausforderungen für Verbraucher und Unternehmen führen mehr als die Hälfte der Befragten die Inflation (die immer noch deutlich über dem 2 %-Ziel liegt), die Zinsentwicklung (die EZB dürfte die Leitzinsen noch weiter erhöhen) und Lieferkettenengpässe als die größten externen Herausforderungen an.

Externe Herausforderungen

Steigende Zinsen als Chance für Banken? Mehr Profitabilität möglich

Für Banken stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Zinsen mittelfristig auf das eigene Geschäft auswirken. Denn in den USA zeigten sich bereits Risiken der schnell steigenden Zinsen, nachdem Banken wie die Silicon Valley Bank schnell Kapital benötigten und gezwungen waren, ihre Staatsanleihen aus dem Portfolio deutlich unter dem Kaufpreis zu verkaufen. Denn die steigenden Zinsen sorgten für Kursverluste, die man nun vor dem Ende der Laufzeit realisieren musste. Doch ganz grundsätzlich kommen steigende Zinsen den Banken natürlich zugute. Da ist es wenig verwunderlich, dass rund zwei Drittel der Befragten von positiven oder leicht positiven Auswirkungen des steigenden Zinsniveaus auf die Profitabilität der Banken ausgehen.

Profitabilität Banken

Kreditausfälle werden immer wahrscheinlicher

Während also eine Gewinnsteigerung und bessere Margen für die Banken durchaus möglich scheinen, gibt es natürlich auch Risiken. In erster Linie führen die Banker hier potenzielle Kreditausfälle an. Denn angesichts der schwachen Konjunktur, der hohen Zinsen und der Inflation werden Kreditausfälle immer wahrscheinlicher. Insgesamt gehen 86 % der Bankmanager von Kreditausfällen aus. Neben dem makroökonomischen Status quo sind es hier auch die Nachwehen der Corona-Pandemie. Denn die Corona-Hilfen laufen nun aus, Darlehen müssen getilgt werden. Hier wird sich zeigen, ob die Corona-Hilfen als temporäre Unterstützung Wirkung zeigten oder nur das Unausweichliche aufschoben.

Übrigens scheinen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs unmittelbarer Natur vernachlässigbar. Mittelbar hat dieser natürlich Auswirkungen auf die Energiepreise, die dann wiederum als hohes Risiko für Kreditausfälle angeführt werden. Es ist schließlich alles vernetzt in einer globalisierten Welt, sodass Wechselwirkungen stets berücksichtigt werden müssen.

Energiepreis Auswirkungen

EY: Trendwende im Kreditmarkt – Abbau von Risikopositionen zwingend erforderlich

Die vorliegenden Daten zeigen eine Trendwende, die die Bank-Manager konstatieren. Nachdem man 2022 noch zuversichtlich auf nur milde Auswirkungen aus der Pandemie hoffte, scheint sich das Blatt gedreht zu haben. Risikomanagement erfährt immer größere Bedeutung. Die Umorientierung in der Bankenbranche sollten die Verantwortlichen nach Auffassung von EY dergestalt umsetzen, dass man direkt immer bedeutsamer werdende ESG-Kriterien integriert.

„Der Abbau von Risikopositionen bleibt mittel- bis langfristig eine enorme Herausforderung, auf die sich die deutsche Kreditwirtschaft konsequent vorbereiten sollte. Auch hier ist eine stringente Transformation und Digitalisierung die Voraussetzung, die Vielzahl der regula- torischen Anforderungen zeitnah zu erfüllen, um die eigene Wettbewerbsposition und Rentabilität langfristig zu stärken.“