Ursprünglich gab es die berechtigte Sorge, dass im Winter 2022/2023 ein Gasnotstand zu einer prekären Lage in Deutschland führt. Nun sieht die Bundesnetzagentur jedoch eine Gasmangellage in Deutschland in diesem Winter als zunehmend unwahrscheinlich. Zwar bleibe ein sparsamer Verbrauch wichtig, dennoch beträgt der Gesamtspeicherstand in Deutschland noch 82,91 %. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, Wirtschaftswissenschaftlerin und Lehrstuhlinhaberin an der Nürnberger Universität, warnt dennoch vor einem steigenden Gasverbrauch, der insbesondere im nächsten Winter wirklich eine Gasknappheit bedingen könnte.
Energiekrise in Deutschland: Kein Gasmangel in diesem Winter
In einem aktualisierten Lagebericht vom 27. Januar 2023 um 13.00 Uhr sieht die Bundesnetzagentur eine weitgehend optimistische Situation. So lässt sich die Bundesnetzagentur zitieren, dass eine Gasmangellage in diesem Winter zunehmend unwahrscheinlich wird. Zwar könne man eine Verschlechterung nicht ausschließen, ein sparsamer Gasverbrauch sei weiterhin wichtig. Lediglich die prognostizierte Temperatur, die in dieser Woche bei -0,1 % im kritischen Bereich liegt, indiziert einen Mehrverbrauch. In den letzten Wochen gab es auch eine normalisierende Entwicklung bei den Preisen.
„Die Großhandelspreise sind in den letzten Wochen gesunken. Unternehmen und private Verbraucher müssen sich weiterhin auf schwankende Preise und ein höheres Preisniveau einstellen“
Besonders positiv wirkt der Gasverbrauch in der deutschen Bevölkerung. Denn dieser lag unter dem durchschnittlichen Verbrauch der letzten Jahre von 2018 bis 2021, obgleich die Temperaturen rund 2,5 Grad Celsius unter den Werten aus den Vorjahren lagen. Das Fazit der Bundesbehörde ist optimistisch:
„Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Insgesamt bewertet die Bundesnetzagentur die Lage als weniger angespannt als zu Beginn des Winters.“
Verlauf der Speicherfüllstände auf hohem Niveau: Temperaturprognose kritisch
Mit verschiedenen Indikatoren bewertet die Bundesnetzagentur die Lage der Gasversorgung in Deutschland. Von den fünf Signalgebern befindet sich aktuell nur die Temperaturprognose im kritischen Bereich. Der temperaturbereinigte Gasverbrauch ist angespannt. Stabil wirken jedoch die Speicherfüllstände, die Situation in den Nachbarländern und die Beschaffung der Regelenergie. Schauen wir uns die Entwicklung der Speicherfüllstände in den letzten Jahren an, scheint es in 2022/2023 keinerlei Probleme zu geben. Zwischenzeitlich befand sich im November/Dezember 2022 der Speicherfüllstand auf einem neuen Maximalwert der letzten vier Jahre. Durchweg pendelt der Speicherstand am oberen Ende des Kanals, der die Entwicklung von 2018 bis 2022 angibt.
Preise für Gas sinken: Ambivalente Auswirkungen für Energiesicherheit
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt dennoch vor der weiteren Entwicklung. Denn die gesunkenen Großhandelspreise, die aktuell sogar unter dem Niveau vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine notieren, indizieren einen erneut steigenden Verbrauch durch Industriekunden. Ein wieder ansteigender Verbrauch wäre demnach mit signifikanten Schwierigkeiten verbunden. Denn die Versorgungslage im Winter 2023/2024 könnte ebenfalls kritisch werden. Je tiefer der Füllstand in diesem Frühjahr sinkt, desto schwieriger wird es, einen ausreichenden Füllstand im nächsten Winter zu gewährleisten – und das ganz ohne russisches Gas, das zumindest im Frühjahr 2022 noch partiell die Befüllung der Gasspeicher ermöglichte. Dabei fordert die Wirtschaftsweise die Bundesregierung auf, mit weiteren Anreizen die Industrie- und Privatkunden zum Sparen anzuregen.
Heute auch noch ein Interview zum Gassparen, warum die Preise wieder steigen könnten, zu den Herausforderungen des nächsten Winters und wie der Staat Abzocke im Windschatten der Gaspreisbremse unterbinden will. pic.twitter.com/lDd876bvF9
— Veronika Grimm (@GrimmVeronika) January 28, 2023
Steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt: Höhere Preise als vor der Krise wahrscheinlich
Problematisch sind demnach nicht nur die sinkenden Preise. Nach dem Ende der Zero-Covid-Politik dürfte auch in China die Nachfrage nach Gas signifikant ansteigen.
„Bis zum kommenden Winter muss es oberste Priorität haben, einen Puffer zu behalten, um auf eine angespanntere Versorgungslage reagieren zu können”
Zugleich geht die Expertin davon aus, dass die Preise auch nach dem kommenden Winter, wenn die Flüssiggas-Importe für eine stabile Lage genügen sollten, auf einem höheren Niveau verharren.
Dies dürfte sich auch bei der allgemeinen Preisentwicklung vergleichbar darstellen. Obgleich die Inflation wahrscheinlich im Laufe des Jahres deutlich zurückkommen wird, werden sich Verbraucher mittelfristig an ein neues Preisniveau gewöhnen müssen.