Im Rande des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos äußerten sich zahlreiche politische Entscheidungsträger zu den ökonomischen Herausforderungen in 2023. Omnipräsent war in diesem Jahr die hohe Inflation und die daraus resultierend veränderte Geldpolitik der Notenbanken, mit welcher diese die Teuerung in den Griff bekommen möchte. Nachdem die EZB deutlich länger als ihr US-amerikanisches Pendant zögerte und mit einem Leitzinssatz von 2,5 % auch deutlich unter dem Niveau in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt, beteuerte die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, ihren Kampf gegen die hohe Inflation. Man möchte entschlossen, alles „tun, was nötig ist“, um die angepeilte Zielrate von 2 % wieder zu erreichen.
Das geldpolitische Mantra von Christine Lagarde
Beim Weltwirtschaftsforum verweist Christine Lagarde auf ihr geldpolitisches Mantra – sie wolle nämlich den Kurs halten und den Kampf gegen die hohe Inflation fortsetzen. Dabei stellte sie insbesondere die Aufhebung der strikten Zero-Covid-Politik in China als zusätzliches Risiko für die Inflation dar. Den Kurs fortsetzen möchte Christine Lagarde unabhängig davon, ob der Höhepunkt der Inflation voraussichtlich erreichte wurde. Die Präsidentin der EZB zeigt sich zielstrebig – dennoch sollte sich ihr Handeln und das der Notenbank im Europäischen Währungsraum natürlich auf die aktuellen Gegebenheiten beziehen und dementsprechend angepasst werden.
Staff at the ECB says trust in President Christine Lagarde and the rest of the Executive Board has been damaged amid a standoff over pay and the institution’s struggles to tame inflation, a survey shows https://t.co/ciQrHLPuQW
— Bloomberg Economics (@economics) January 21, 2023
Inflation viel zu hoch: EZB möchte rasch zurück zu 2 % Teuerung
Zuletzt meldete das Statistische Amt der Europäischen Union ihren Verbraucherpreisindex für den Monat Dezember. Zum Abschluss des vergangenen Jahres gab es einen Rückgang der Inflation zum zweiten Mal in Folge. Die Verbraucherpreise stiegen demnach von Dezember 2021 zu Dezember 2022 um 9,2 %, während im November die Inflation noch bei 10,1 % lag. Im Oktober erreichte der Verbraucherpreisindex ein Rekordhoch bei 10,6 %.
Euro area (EA19) annual #inflation at 9.2% in December 2022, down from 10.1% in November https://t.co/7n2xYSGkH0 pic.twitter.com/XhjFTjY6Z2
— EU_Eurostat (@EU_Eurostat) January 18, 2023
Dass die Inflation im Euroraum viel zu hoch ist, darüber gibt es keine zwei Meinungen. Die EZB möchte ergo alles Erforderliche tun, um die Inflation schnell auf 2 % zu reduzieren.
Finanzmärkte sollten ihre Position überdenken
Während die EZB somit weiterhin hawkisch agieren wird, warnt Lagarde vor zu großer Zuversicht. Die Finanzmärkte zelebrierten in den ersten Wochen des Jahres eine Erholung, beispielsweise der deutsche Leitindex DAX 40 in 2023 um rund 7 %. Vergleichbar entwickelte sich der Euro STOXX 50, bestehend aus den fünfzig größten börsennotierten Unternehmen im Währungsraum.
Die Entwicklung an den Finanzmärkten sieht Lagarde als bedenklich. Die Marktteilnehmer sollten den Kurs der Notenbank nicht unterschätzen und ihre Position überdenken. Dennoch sollte man die Warnung nicht zu stark gewichten – denn die EZB wird über ihre öffentlichen Äußerungen auch die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer steuern wollen.
Inflationsdruck in Eurozone leicht rückläufig: Was macht die EZB?
Der Inflationsdruck in der Eurozone nimmt ab. Nun stellt sich die Frage, wie die Europäische Zentralbank weiter verfährt. Nach vier Anhebungen des Leitzinses um 50 Basispunkte auf mittlerweile 2,5 % ist man augenscheinlich der Auffassung, dass die Zinsen noch deutlich stärker steigen müssen. Ein baldiges Ende der Zinserhöhungen ist nicht indiziert. Das Zinsszenario läuft wohl mindestens auf einen Leitzins in Höhe von 4 % hinaus.
50 Basispunkte bei nächster EZB-Sitzung: Ab März weniger aggressive Straffung
Mittlerweile gibt es auch Stimmen innerhalb der Europäischen Zentralbank, die eine Verlangsamung des Zinserhöhungstempos bevorzugen. Zwar äußern sich zahlreiche Notenbanker weiterhin hawkisch und wollen die Geldpolitik aggressiv straffen. Allerdings könnte bei weiterhin rückläufiger Inflation mehr Spielraum für die EZB bestehen. 50 Basispunkte bei der nächsten EZB-Sitzung scheinen sicher – im Anschluss könnte man jedoch auch zu 0,25 % Zinsschritten zurückkehren.
In der Mehrheit rechnen Wirtschaftsexperten jedoch mit zwei weiteren starken Anhebungen im Februar und März. Der Höhepunkt könnte ungefähr im Juli erreicht sein. Dann dürfte der Straffungszyklus enden, Zinslockerungen scheinen für 2023 jedoch (noch) nicht indiziert.