Der Fachkräftemangel ist evident. Die Wartezeiten für Reparaturen durch Handwerker werden immer länger. Viele Betriebe haben signifikante Probleme, offene Stellen zu besetzen. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung offenbart eine potenzielle Verschlimmerung in den nächsten Jahren. Demnach könnte die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter bis 2035 um schlimmstenfalls sieben Millionen Menschen sinken. Der Fachkräftemangel greift immer weiter um sich – dennoch formuliert das Institut zugleich potenzielle Handlungsmaßnahmen und Szenarien, mit welchen man dem Fachkräftemangel vorbeugen könnte.
Demografischer Wandel birgt Gefahren: Massiver Rückgang der erwerbsfähigen Personen
Die aktuelle Altersstruktur der in Deutschland lebenden Personen ist das größte Risiko für den Arbeitsmarkt. Denn die demografischen Verschiebungen und eine immer stärker alternde Bevölkerung wird in Zukunft auf deutlich weniger, erwerbsfähige Personen zurückgreifen können. Demnach könnten 2035 sieben Millionen Menschen weniger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Besonders drastisch dürfte die Entwicklung sein, wenn es keine Außenwanderung und stagnierende (oder sogar rückläufige) Erwerbsquoten gibt. Dennoch existieren Szenarien, mit denen man dem Fachkräftemangel vorbeugen könnte.
Die sogenannten Baby-Boomer gehen allmählich in Rente – und das droht den Fachkräftemangel in Deutschland zu verschärfen. Davor warnt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer neuen Studie.https://t.co/YaclTwNn78
— NDR Info (@NDRinfo) November 21, 2022
Höhere Erwerbsquote könnte Fachkräftemangel abmildern
Höhere Erwerbsquoten sind eine Lösung, um den Fachkräftemangel abzumildern. Angesichts des zunehmend knappen Angebots an Arbeitskräften scheint eine Steigerung der Erwerbsquote zielführend, die insbesondere bei Frauen weiterhin niedrig ist. Insgesamt gäbe es nach Berechnungen in Deutschland 3,4 Millionen zusätzliche Erwerbspersonen. Allerdings handelt es sich dabei um eine temporäre Lösung, da ein Anteil der Babyboomer-Generation nur bis 2035 auf dem Arbeitsmarkt verfügbar ist – anschließend aber nicht mehr. Mit Maßnahmen, die auf eine Stärkung der Gleichberechtigung abzielen, könnte man mehr Frauen zu einer Teilnahme am Arbeitsmarkt bewegen. Immer natürlich unter der Prämisse, dass diese das Angebot wahrnehmen.
Migration als Lösung: Bleibebereitschaft stärken und Abwanderung vorbeugen
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung identifiziert die Zuwanderung als starken Hebel zur Steigerung des Arbeitskräftepotenzials. Dabei kommt es darauf an, dass die Zuzüge vornehmlich von Personen im erwerbsfähigen Alter dominiert werden, um eine signifikante Wirkung zu erzeugen. Die Zuwanderung ausländischer Personen müsste auf 1,64 Millionen pro Jahr bis 2035 steigen, um einen dauerhaften Saldo von 330.000 Personen zu erzeugen. Die Migrations- und Integrationspolitik muss demnach insbesondere die Attraktivität des Zuzugs stärken und zugleich die Bleibebereitschaft erhöhen, mit inkludiertem Willen, am Arbeitsmarkt in Deutschland zu partizipieren.
Ist Vollbeschäftigung die Lösung?
Trotz Fachkräftemangel sind wir in Deutschland von einer Vollbeschäftigung entfernt. Diese ist demnach bei einer Arbeitslosenquote von 2 bis 3 % erreicht. 2021 betrug diese jedoch 6,3 %. Menschen befinden sich fortwährend auf der Suche nach dem Arbeitsmarkt, selbst bei Mangel an Fachpersonal. Sollte eine Arbeitslosenquote von 2,5 % erreicht werden – ergo Vollbeschäftigung – könnte man 2035 mit 1,3 Millionen zusätzlichen Beschäftigten rechnen.
Verlängerung der Arbeitszeit: Mehr Arbeit für Erwerbstätige
Zugleich könnte man den Fokus auf eine Ausweitung der Arbeitszeit der Beschäftigten legen, ohne dass man weitere Arbeitskräfte benötigen würde. Denn die vorliegende Studie konstatiert einen vorhandenen Wunsch von Beschäftigten mit Mini- oder Teilzeitjob, ihre Arbeitszeit auszuweiten. Die daraus resultierende Unterbeschäftigung im Status quo soll einer Personenzahl von knapp 1,4 Millionen entsprechen.
Blick auf die Geburtenrate: Langfristig kommt es auch auf die Reproduktionskraft an
Kurzfristig bis 2035 formuliert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verschiedene Maßnahmen, mit denen die akuten Probleme auf dem Arbeitsmarkt verringert werden könnten. Doch langfristig bedarf es auch einer steigenden Geburtenrate, die die mitunter dramatische Situation auf dem Arbeitsmarkt stabilisieren kann. Aktuell liegt die Geburtenrate bei 1,58 Kinder je Frau, nach Angaben des Statistischen Bundesamts.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren zunehmen wird. Immer mehr Beschäftigte werden fehlen. Diesem könnte mit gezielten Maßnahmen unterschiedlicher Art vorgebeugt werden. Da dies in den vergangenen Jahren jedoch ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war, lassen sich die Erfolgsaussichten zumindest mit einem Fragezeichen versehen.