Vor dem EZB Zinsentscheid am Donnerstag zeigen sich die Märkte in der laufenden Handelswoche turbulent. Am gestrigen Dienstag notierten die US-Börsen schwächer. Anleger dürften auch hier einen Blick auf das Vorgehen in der Euro-Zone werfen. Nachdem die Energiekrise und der wohl länger anhaltende Gas-Lieferstopp aus Russland für Druck am Aktienmarkt sorgten, kam es zu keiner signifikanten Erholung. Vorsicht dominiert im Hinblick auf den EZB Zinsentscheid. Was werden die europäischen Währungshüter morgen entscheiden?
EZB vor Zinsentscheid: Das ist die Ausgangslage
Die Ausgangslage ist dramatisch. Diskrepanzen zwischen dem Handeln der EZB und der US-amerikanischen Fed sind offensichtlich. Zugleich stieg die Inflationsrate im August wieder deutlich an. Die Teuerung könnte weiter zunehmen. Experten rechnen bereits mit zweistelligen Werten gegen Ende des Jahres. Eine Eskalation der Energiekrise würde die Inflation weiter anfachen. Erst 2023 rechnen Experten mit einer ersten Abkühlung der Inflation, da dann die bereits hohen Inflationswerte aus dem laufenden Jahr zum Vergleich herangezogen werden und somit Basiseffekte die Inflationsrate senken könnten. Nichtsdestotrotz muss die EZB reagieren – der morgige EZB Zinsentscheid dürfte bereits eine signifikante Erhöhung des Leitzinssatzes bereithalten.
Mögliche Szenarien: 50 oder 75 Basispunkte
Dass die EZB reagiert, ist klar. Entscheidend ist lediglich, wie stark die Zinsanpassung erfolgt. Die möglichen Szenarien sind eine vorläufige Erhöhung um 50 oder 75 Basispunkte. Eine drastische Erhöhung der EZB um sogar 100 Basispunkte ist wenig wahrscheinlich. Allerdings überraschte auch die Bank of Canada bereits in diesem Jahr mit einer hawkischen Anpassung der Geldpolitik, indem man direkt um 100 Basispunkte erhöhte. In der Euro-Zone dürfte jedoch eine Anpassung um maximal 75 Basispunkte das Mittel der Wahl sein – zu groß ist die Angst vor einer tiefgreifenden Rezession.
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EZB Zinsentscheid: Notenbank in der Zwickmühle
Die Europäische Zentralbank befindet sich in der Zwickmühle und muss das geeignete Instrument finden, um mehrere Brände gleichzeitig zu löschen. Denn der schwache Euro belastet die gesamte Zone der Gemeinschaftswährung. Zugleich sind die wirtschaftlichen Aussichten schwach, eine Rezession droht. Die hohe Teuerungsrate frisst jedoch die Konsumkraft der Verbraucher und erschüttert zugleich das Vertrauen in die eigene Währung. Trotz aller (berechtigten) Kritik an einem sehr zögerlichen Auftreten der EZB ist die Lage keineswegs einfach.
Starke Zinserhöhung: Belastung für Konjunktur
Eine starke Zinserhöhung fungiert als probates Mittel, um die Inflation in der Euro-Zone zu bekämpfen. Demgegenüber sind hohe Zinsen eine Belastung für die angeschlagene Konjunktur, die unter Energiekrise, gestörten Lieferketten und mitunter Corona-Nachwehen leidet. Infolgedessen reagierte die EZB lange zögerlich. Insbesondere sowieso schon angeschlagene EU-Staaten sollen in ihrer wirtschaftlichen Dynamik nicht noch weiter beeinträchtigt werden. Die Sorge ist groß, dass hoch verschuldete Euro-Länder in die Zahlungsunfähigkeit abrutschen.
Schwächere Zinserhöhung: Inflation könnte weiter anziehen
Eine moderate Zinserhöhung würde die Wirtschaft stärken und den Unternehmen weitere Investitionen erlauben. Allerdings könnte die Inflation weiter anziehen. Viele Experten sehen in den nächsten Monaten zweistellige Inflationsraten. Dies könnte das Vertrauen in die Stabilität des Euros weiter erschüttern und zu einer partiellen Flucht in andere Währungen führen. Diese wiederum würde den Euro weiter schwächen.
Schwacher Euro als zusätzlicher Belastungsfaktor für Inflation & Konjunktur
Der aktuell schwache Euro, der unter der Preis-Parität zum Dollar gehandelt wird, belastet die Konjunktur. Zugleich steigt die Inflation weiterhin rasant an. Denn die neue Euro-Krise führt dazu, dass andere Währungen stärker werden und sich Importe verteuern. Infolgedessen müssen die Verbraucher höhere Preise bezahlen, um ihre Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Da vornehmlich Rohstoffe und Energie traditionell in US-Dollar bezahlt werden, könnten diese Preise weiter steigen.
EZB Zinsentscheid: Das wird die Notenbank morgen verkünden
Negativzinsen gehören in der Euro-Zone bereits der Vergangenheit an. Im Sommer gab es eine erste Zinsanpassung, sodass der Leitzinssatz aktuell bei 0,5 % liegt. Die europäischen Notenbanker dürften am morgigen Donnerstag in der offiziellen Sitzung die Zinsen erneut anheben. Das für uns wahrscheinlichste Szenario ist eine starke Reaktion auf den zunehmenden Druck und die hohe Inflation, sodass die EZB 75 Basispunkte auf den Leitzinssatz schlägt.
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